Der Serien-Mörder Randy Kraft erstellte eine Liste von 61 Codewörtern, von denen sich 41 einer konkreten Tat zuordnen lassen. Die Bedeutung der restlichen Begriffe ist nicht bekannt.

English version (translated with DeepL)

Zu den spannendsten Themen, die die Kryptologie zu bieten hat, gehören zweifellos ungelöste Verschlüsselungen, die mit einem ungelösten (oder nicht vollständig aufgeklärten) Kriminalfall in Verbindung stehen. Zu den bekanntesten Kryptogrammen dieser Art zählen die Geheimtexte, die der Somerton-Mann, das Mordopfer Ricky McCormick, der Frauenmörder Henry Debosnys und der Journalist Ray Rivera hinterlassen haben.

 

Randy Kraft

Google sei Dank bin ich kürzlich auf einen weiteren Kriminalfall gestoßen, den man in die besagte Rubrik einordnen kann – wenn auch mit Einschränkungen. Diese Einschränkungen haben wohl dazu geführt, dass dieser Fall in der Krypto-Literatur bisher nicht erwähnt wird. Es ist insbesondere zu befürchten, dass sich die Rätsel, um die es hier geht, nicht mit den üblichen Codeknacker-Methoden wird lösen lassen.

Die Rede ist vom US-Serienmörder Randy Kraft (*1945). Zwischen 1972 und 1983 brachte dieser nachweislich 16 junge Männer um. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte noch deutlich höher liegen. In allen bekannten und vermuteten Fällen tötete Kraft männliche Personen im Alter zwischen 13 und 35. Einige der Opfer wurden nie identifiziert.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Meist lockte Kraft seine Opfer unter einem Vorwand in sein Auto. Dort betäubte er sie oder verabreichte ihnen größere Mengen Alkohol. Auf eine Schilderung der nun typischerweise folgenden Grausamkeiten möchte ich an dieser Stelle lieber verzichten.

1983 wurde Kraft verhaftet und sechs Jahre später zum Tode verurteilt. 32 Jahre später sitzt er immer noch in der Todeszelle.

Kraft gilt als äußerst intelligent und obendrein als sympathische Erscheinung. Dies ist nicht überraschend, denn ohne diese Eigenschaften wäre er vermutlich deutlich früher aufgeflogen.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

 

Der Notizblock-Mörder

Bekannt wurde Randy Kraft auch unter der Bezeichnung “Scorecard-Killer”. Als “Scorecard” bezeichnet man im Englischen ein Bewertungsformular. Etwas freier übersetzt könnte man ihn als “Notizblock-Mörder” bezeichnen.

Der Grund für diesen Beinamen ist ein Zettel, den man nach der Verhaftung bei Randy Kraft gefunden hat. Auf diesem stehen 61 Codewörter.

Quelle/Source: California Police

Viele der Codewörter lassen sich mit einer (mutmaßlichen oder erwiesenen) Tat Krafts in Verbindung bringen. So lautet das erste Wort STABLE. Dies passt zum Mord an einem Barkeeper namens Wayne Joseph Dukette am 5. Oktober 1971, der in der “Stables Bar” in Sunset Beach bei Los Angeles arbeitete. Tatsächlich gilt diese Tat als Krafts erster Mord.

Unklar ist dagegen der zweite Eintrag auf der Liste: ANGEL. Die Polizei konnte dieses Codewort bisher keiner Tat zuordnen.

Die vollständige Codewort-Liste mit allen Taten, die zugeordnet werden können, gibt es hier.

 

Die Codewörter

Im Folgenden sind alle Codewörter aufgeführt, die auf der Liste stehen. Die Zeilennummern sind im Original nicht enthalten. Wenn das Codewort nicht zugeordnet werden kann, ist dies vermerkt:

  1. STABLE
  2. ANGEL (ungeklärt)
  3. EDM
  4. HARI KARI (ungeklärt)
  5. AIRPLANE HILL
  6. MARINE DOWN (ungeklärt)
  7. VAN DRIVEWAY (ungeklärt)
  8. 2 IN 1 MV TO PL (ungeklärt)
  9. TWIGGIE
  10. VINCE M
  11. WILMINGTON
  12. LB MARINA (ungeklärt)
  13. PIER 2
  14. DIABETIC (ungeklärt)
  15. SKATES
  16. PORTLAND (ungeklärt)
  17. NAVY WHITE (ungeklärt)
  18. USER (ungeklärt)
  19. PARKING LOT
  20. DEODORANT
  21. DOG
  22. TEEN TRUCKER
  23. IOWA (ungeklärt)
  24. 7TH STREET
  25. LAKES MC
  26. MC LAGUNA
  27. GOLDEN SAILS
  28. EUCLID
  29. HAWTH OFF HEAD
  30. 76
  31. 2 IN 1 HITCH (ungeklärt)
  32. BIG SUR
  33. MARINE HEAD BP
  34. EXPLETIVE DELETED
  35. FRONT OF RIPPLES (ungeklärt)
  36. MARINE CARSON
  37. NEW YEAR’S EVE
  38. WESTMINSTER DATE
  39. JAIL OUT
  40. MARINE DRUNK OVERNIGHT SHORTS
  41. CARPENTER (ungeklärt)
  42. TORRANCE
  43. MC DUMP HB SHORT (ungeklärt)
  44. 2 IN 1 BEACH
  45. HOLLYWOOD BUS
  46. MC HB TATTOO
  47. OXNARD (ungeklärt)
  48. PORTLAND ECK
  49. PORTLAND DENVER
  50. PORTLAND BLOOD
  51. PORTLAND HAWAII
  52. PORTLAND RESERVE
  53. PORTLAND HEAD
  54. GR 2
  55. MC PLANTS (ungeklärt)
  56. SD DOPE
  57. HIKE OUT LB BOOTS
  58. ENGLAND (ungeklärt)
  59. OIL (ungeklärt)
  60. DART 405
  61. WHAT YOU GOT (ungeklärt)

Insgesamt sind also 20 Codewörter ungeklärt.

Wie bereits erwähnt, dürfte man mit den üblichen Codeknacker-Methoden (z. B. Häufigkeitsanalyse) in diesem Fall nicht weit kommen. Auch sonst befürchte ich, dass es schwierig sein wird, als Außenstehender etwas zur “Entschlüsselung” dieser Codewörter betragen zu können.

Falls ein Leser dennoch eine entsprechende Idee hat, würde mich das natürlich interessieren.


Further reading: The Top 50 unsolved encrypted messages: 43. The Rayburn murder cryptogram

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Kommentare (12)

  1. #1 frank
    17. Juli 2021

    Ich möchte zumindest eine These aufstellen.
    Die Codewörter könnten gar keine Codewörter sondern ganz banale “Erinnerungshilfen” gewesen sein, damit er bei all seinen vielen Opfern nicht die Übersicht verliert.
    Oder damit er sich auch jederzeit an jedem Ort jeden Tathergang ins Gedächtnis rufen konnte. Er hatte die Liste schließlich in seiner Brieftasche!
    Warum manche Einträge vielleicht etwas kryptisch wirken, mag daran liegen, dass er vermeiden wollte, in seiner Liste so explizit zu werden, dass ein Fremder, der die Liste zufällig sieht, sich einen Reim auf die wahre Bedeutung der Einträge zu machen. “plausible deniability”. Aber das wäre eine Verschleierung durch unvollständige Information und keine Verschlüsselung im eigentlichen Sinn.
    Immerhin hatten alle gelösten Fälle einen Zusammenhang zwischen den Tatumstäden und seinen Listeneinträgen aufgezeigt.
    Ich würde das kryptisch aussehende Kürzel
    2 IN 1 MV TO PL
    etwa so interpretieren wollen, er war Programmierer.
    mv dürfte er als Abkürzung für “move” genutzt haben, mv lautet der move-Befehl unter UNIX/LINUX
    PL könnte demnach eine Abkürzung für einen Ort sein, wo er sich und sein(e) Opfer hingebracht hat. “move to pl”.
    Evtl. waren das zwei Anhalter, die er mitgenommen hat.
    Da er seine Einträge aber sehr knapp gehalten hat, wird es tatsächlich kaum möglich sein, sie im einzelnen zu verstehen, solange man ihnen keine Tat zuordnen kann.
    Es wäre auch denkbar, dass sich einige Einträge weniger auf äußere Tatumstände sondern auf seine inneren Assoziationen und Bilder beziehen. Dann können die Einträge wirklich alles mögliche bedeuten und ihre Bedeutung gewiss nicht rekonstruiert werden, denn die hat er in diesem Fall mit ins Grab genommen.

  2. #2 The_Piper
    18. Juli 2021

    @Frank

    “2 IN 1 MV TO PL”
    Ja, das ist mir auch in den Kopf gekommen,

    “two in one move to Portland”, also
    “Zwei mit einem Streich auf dem Weg nach Portland”

    Ich halte das auch eher für “Erinnerungshilfen” als für eine Verschlüsselung, siehe “STABLE” => “Stables bar”

  3. #3 Klaus Schmeh
    18. Juli 2021

    >“Zwei mit einem Streich auf dem Weg nach Portland”
    Dann müsste es sich um einen Doppelmord handeln. Seltsam, dass diese Tat nicht identifiziert werden konnte.

  4. #4 Crissie
    NRW
    18. Juli 2021

    > Seltsam, dass diese Tat nicht
    identifiziert werden konnte.
    Vielleicht stehen auch Taten auf der Liste, die es gar nicht gab. Der Zodiac-Mörder hat sich ja auch zu mehr Morden bekannt als er begangen hat.

  5. #5 naja
    18. Juli 2021

    Zu den 41 konkret zugeordneten Taten aber “nur” 16 nachgewiesenen Morden: Das waren die Fälle, die sicher genug für ein Verfahren waren, mit Fotos/Gegenständen etc. Von denen wurden zwei oder drei allerdings nicht mit den Listeneinträgen verbunden. Die restlichen Taten “passen”, aber es war dem Staatsanwalt wohl nicht sicher genug für das Gerichtsverfahren.
    Zu nicht identifizierten Taten: Es gibt ja einen riesigen Pool an vermissten Menschen, die theoretisch von ihm umgebracht worden sein könnten. Dazu sind so einige Opfer von ihm Anhalter und (männliche) Prostituierte gewesen, also Ort und Zeit des “offiziellen” Verschwindens möglicherweise ganz andere, als wo/wann er Taten verübt hat. Ohne Leichenfund und mit nur diesen Hinweiswörtern lässt sich da wohl gar nichts rekonstruieren.

  6. #6 Klaus Schmeh
    18. Juli 2021

    >Ohne Leichenfund und mit nur diesen
    >Hinweiswörtern lässt sich da wohl gar
    >nichts rekonstruieren.
    Stimmt, ein Begriff wie WHAT YOU GOT oder OIL dürfte ohne zusätzliche Informationen nur schwer aufzulösen sein.

  7. #7 Karl-Heinz
    Graz
    18. Juli 2021

    Einen Punkt konnte ich sofort entschlüsseln.
    Der Massenmörder Randy Kraft ist nicht ganz dicht im Kopf.

  8. #8 Klaus Schmeh
    18. Juli 2021

    >Einen Punkt konnte ich sofort entschlüsseln.
    Immerhin!

  9. #9 frank
    19. Juli 2021

    @Klaus:

    “>“Zwei mit einem Streich auf dem Weg nach Portland”
    Dann müsste es sich um einen Doppelmord handeln. Seltsam, dass diese Tat nicht identifiziert werden konnte.”

    Vielleicht hat er einige seiner Taten als Unfälle oder Selbstmorde getarnt und es wurde deswegen nicht gründlich genug ermittelt.

    Speziell der Eintrag “Hari Kari” klingt für mich verdächtig nach einem Anagramm von “Hara Kiri” was vielleicht stellvertretend für “Suizid” gewählt wurde.

    Man müsste auch wissen, wie die Ermittler gearbeitet haben. Wenn er von den Morden Souvenirs mitgenommen hat und vielleicht sogar Fotos gemacht hat und sich eine Liste als Erinnerungshilfe angelegt hat, dann will er vielleicht den Bezug zwischen den Souvenirs und seinen Listeneinträgen herstellen können, etwa nach dem Motto, wie war das nochmal? von wem waren die Schnürsenkel?
    Dazu könnte er seine Souvenirs in einem Ordnungssystem abgelegt haben, welches die Reihenfolge der Listeneinträge widerspiegelt.
    Wenn dem so sein sollte, hätten die Ermittler immer zwei Spuren zu jedem Fall, nämlich Souvenir plus Listeneintrag. Die aufgeklärten Fälle könnten ein solches Ordnungssystem bestätigen oder widerlegen.
    Frage ist aber, ob die Ermittler überhaupt nach so einem Zusammenhang gesucht haben. Oder ob im Nachhinein noch Beweismittel existieren, die diesen Sachverhalt einer nachträglichen Untersuchung zugänglich machen. Auch wenn er bereits hingerichtet wurde, würden vielleicht Angehörige der übrigen Opfer Intresse an weiterer Aufklärung haben.

  10. #10 dexter
    21. Juli 2021

    “Auch wenn er bereits hingerichtet wurde, ”
    @frank: scheint noch zu leben … https://de.wikipedia.org/wiki/Randy_Steven_Kraft

  11. #11 Toni-Ketzer
    Tatort
    21. Juli 2021

    Ich lese unbedarft ein, der erste Eindruck ist meist der Richtige.
    Wer “Mr.Kraft” war, ist eigentlich gleichgültig. Was er tat steht im Fokus. Somit die Frage warum er überhaupt was tat, das sei wesentlich interessanter.
    Frage: Was war das Motiv eines “Mr.Kraft”, überhaupt etwas zu planen?
    Komischer Weise machte “Mr.Kraft” Notizen. Schrieb er wahrscheinlich Tagebuch?
    Wie dem auch immer sei, was würde er in sein Tagebuch eintragen?
    Und genau das steht verkürzt in seinem Notizen geschrieben.
    Aber wie versteht man diese Notizen zuzuordnen?
    Der beschriebene “Mr.Kraft” war oft bzw. ständig auf Reisen, er blieb selten an einem Ort. Er war somit ungebunden und mußte ständig weiteres planen. Das kostet meist viel Zeit und Geld. Wie man kauft sich durch den Alltag?
    Natürlich hat “Mr.Kraft” auch persönliche Bedürfnisse welche (stets auf Reisen) ständig unbefriedigt bleiben.
    Diese Bedürfnisse werden irgendwo draußen leicht zur Plage. Was tun, “Mr.Kraft”?
    Was er tat ist bekannt. Er mordete die Opfer seiner Bedürfnisse, um ungehindert termingerecht weiter zu reisen. Also, was tat “Mr.Kraft” mit irgendein leblosen Körper, sein nunmehr weiteres Opfer?
    Jeder Eintrag sind zugleich seine Notizen und dienen als Denkhilfe innert einer persönlichen, seelisch wie moralische Notlage,- und zwar nach ein weiteren Mord,- in seinem Leben eines Mörder. Die Notizen sind Denkhilfe um die Opfer erfolgreich “planmäßig” zu entledigen.
    Somit Zitat: “Auf eine Schilderung der nun typischerweise folgenden Grausamkeiten möchte ich an dieser Stelle lieber verzichten”.
    Er kämpfte wahrscheinlich nach jeden Mord gegen sich selber, war unfähig eines Gedanken. Somit ging er nach jeden Mord systematisch vor. Der Erfolg gab ihm Recht. Er wurde seine Leiche los und konnte sein weiteren Alltag planen.
    Und wo liegen die Leichen?
    Wahrscheinlich wurden die meisten seiner Opfer in öffentlich zugängige Gewässer entsorgt.
    Wo und wann kam “Mr.Kraft” an einem öffentlicht zugängigen Gewässer und zu welcher Tageszeit vorbei?
    Das steht als Denkhilfe in seinen Notizen geschrieben.

  12. #12 paule
    22. Juli 2021

    da er ja noch lebt, warum fragt man ihn nicht selbst?
    das wäre der einfachste weg.