Im Falkland-Krieg (1982) zwischen Großbritannien und Argentinien soll die Verschlüsselungstechnik eine wichtige Rolle gespielt haben. Nach wie vor ist aber nur wenig darüber öffentlich bekannt.
English version (translated with Deepl)
Am 2. April 1982 besetzten argentinische Truppen die zu Großbritannien gehörenden Falkland-Inseln. Niemand wusste so recht, was die Südamerikaner auf der Inselgruppe im Südatlantik wollten, auf der neben kaum 2.000 Einwohnern nur Felsen, Schafe und Pinguine anzutreffen waren.
Der Falkland-Krieg
Die Briten bemerkten zwar ein paar Tage im Voraus, dass eine Falkland-Invasion bevorstand, doch ansonsten traf sie die Militäraktion der Argentinier völlig unvorbereitet. Die Regierung unter Margaret Thatcher reagierte mit aller Härte. Sie schickte Truppen über den Atlantik zu den Inseln und konnte nach einem einem kurzen Krieg Argentinien am 14. Juni 1982 zur Kapitulation bewegen. Insgesamt starben 1.000 Menschen einen sinnlosen Tod.
Der schnelle Sieg im Falkland-Krieg wurde unter anderem auf die modernere Militärtechnik der Briten zurückgeführt. Wer mehr über den Falklandkrieg wissen will, sollte sich den folgendenzehnminütigen Fernsehbeitrag von Guido Knopp anschauen:
Die Kryptologie war kriegsentscheidend
Vor etwa zehn Jahren verriet mir Otto Leiberich (1927-2015), der ehemalige Präsident der Zentralstelle für das Chiffrierwesen, eine Sache, die nicht in den Geschichtsbüchern steht: Die Kryptologie spielte im Falkland-Krieg eine entscheidende Rolle.
Details durfte mir Leiberich leider nicht verraten. Auch sonst gibt es zur Kryptologie im Falkland-Krieg bisher nur wenige öffentliche Informationen. Nach meinen Recherchen müsste sich die Sache etwa so abgespielt haben:
- Die Argentinier nutzten auf hoher militärischer Ebene und im Diplomatenwesen “teure aber kompromittierte europäische Verschlüsselungsmaschinen”. Auf unterer Ebene kamen US-Verschlüsselungsprodukte zum Einsatz, die ebenfalls unsicher waren. Kurioserweise waren daher die auf mittlerer Ebene genutzten argentinischen Verschlüsselungssysteme die besten, wenn auch ebenfalls lösbar. Quelle: das Buch “GCHQ” von Richard J. Aldrich (2010), S. 399
- Bei den besagten Verschlüsselungsmaschinen der Argentinier handelte es sich hauptsächlich um Geräte der Crypto AG (Schweiz). Quelle: das Buch Razor’s Edge von Hugh Bincheno (2006), S. 121
- Der britische Geheimdienst GCHQ (für Abhören und Dechiffrieren zuständig) war auf die Falkland-Invasion nicht vorbereitet. Man wusste dort kaum etwas über die argentinischen Militär-Verschlüsselungsmethoden, geschweige denn, wie man sie knacken konnte. Quelle: Otto Leiberich
- Immerhin hatten Briten schon lange vor dem Falkland-Krieg ein getarntes Spionage-Schiff namens “Endurance” im Südatlantik stationiert. Dieses hörte routinemäßig den von dort aus empfangbaren Funkverkehr aus Südamerika ab. Dadurch hatten die Briten zwar eine gute Quelle für argentinische Militär-Funksprüche, diese konnten sie aber zunächst nicht entschlüsseln. Quelle: das Buch GCHQ von Richard J. Aldrich (2010), S. 391-392
- Als die Briten die drohende Falkland-Invasion wenige Tage im Voraus bemerkten, baten sie ihre Verbündeten händeringend um Unterstützung beim Knacken argentinischer Militärchiffren. Quelle: Otto Leiberich
- Auch die Zentralestelle für das Chiffrierwesen in Bonn, die dem Bundesinnenministerium unterstand und von Otto Leiberich geleitet wurde, erhielt den Hilferuf aus London. Das Verhältnis der Bonner Kryptologen zu ihren britischen Kollegen war schwierig – angeblich fühlten sich letztere als etwas Besseres, seitdem sie im Zweiten Weltkrieg die Enigma geknackt hatten. Nun aber mussten die GCHQ-Experten von ihrem hohen Ross herunter und konnten froh sein, dass man in Bonn tatsächlich etwas mehr über die argentinischen Codes wusste und dieses Wissen weitergab. Quelle: Otto Leiberich
- Die Deutschen sollen eine der argentinischen Chiffren deshalb geknackt haben, weil sie im Zweiten Weltkrieg Unterlagen dazu von den Franzosen erbeutet hatten. Nach dem Krieg soll dieses Verfahren über Geheimdienstchef Reinhard Gehlen nach Argentinien gelangt sein, wo es noch in den achtziger Jahren im Einsatz war. Leider weiß ich nicht, um welches Verfahren es sich handelt. Quelle: das Buch Secrets of Signals Intelligence During the Cold War and Beyond von Matthew M. Aid und Cees Wiebes.
- Die USA blieben zwar offiziell neutral, unterstützten jedoch die Briten. Die NSA gewährte Zugang zu ihrer Satelliten-Abhörtechnik. Die NSA-Experten konnten damals außerdem nahezu alle argentinischen Codes knacken. Ihr diesbezügliches Know-how gaben sie aber nur widerwillig an die Briten weiter – sie befürchteten, dass durch den Krieg Teile ihres Wissens öffentlich werden könnte. Quelle: das Buch GCHQ von Richard J. Aldrich (2010), 415
- Dass die Deutschen und die US-Amerikaner die argentinischen Verschlüsselungen lösen konnten, lag auch daran, dass letztere kompromittierte Schlüsselgeräte (vom Typ HC550 and HC570) der Crypto AG nutzten. Wie man inzwischen weiß, war die Crypto AG in Besitz des BND und des CIA (Operation Rubicon), und diese Organisationen sorgten dafür, dass viele Staaten nur minderwertige Krypto-Technik erhielten.
- Auch die Franzosen, Spanier und Niederländer halfen den Briten – allerdings nicht unbedingt mit kryptologischem Know-how, sondern mit Überwachungstechnik und kriegswichtigen Informationen. Quelle: das Buch GCHQ von Richard J. Aldrich (2010), 414
- Laut einer anderen Quelle lieferten die Niederländer den Briten genaue Informationen zu einem Verschlüsselungsgerät der Crypto AG, das die Argentinier nutzten. Diese Informationen stammten von einem Spion.
- Die Argentinier nutzten zur Verschlüsselung von Sprachverbindungen auch analoge Geräte (Voice-Scrambler), und zwar den Datotek DV-505 und den CRM-008. Voice-Scrambler sind niemals wirklich sicher und waren daher auch für die Briten – auch dank der Unterstützung aus Deutschland und den USA – zu knacken. Vermutlich war den Argentiniern diese Gefahr bewusst, und vermutlich verschlüsselten sie daher nur weniger wichtige Nachrichten auf diese Weise.
- Die Argentinier kommunizierten auch unverschlüsselt, was die Briten natürlich ausnutzten. Quelle: “The Silent Listener, Falklands 1982” von D.J. Thorp
- Die Hilfe der Verbündeten funktionierte so schnell, dass die Briten bereits vor Eintreffen der Argentinier auf den Falkland-Inseln fast alle deren Verschlüsselungsmethoden lösen konnten. Im nun beginnenden Krieg war dies ein enormer Vorteil.
- Am 2. April, dem Tag des Invasionsbeginns, machte der britische Parlamentsabgeordnete Ted Rowlands einen schweren Fehler. In einer Parlamentsdebatte verkündete er großspurig, dass die Briten die “Telegramme der Argentinier seit vielen Jahren entschlüsseln” konnten. Die Argentinier versuchten daraufhin, ihre Verschlüsselungsmethoden zu ändern und zu verbessen, was innerhalb der kurzen Zeit aber nur unzureichend gelang. Quellen: das Buch GCHQ von Richard J. Aldrich (2010), S. 400; Wikipedia
- Während des gesamten Kriegsverlaufs konnten die Briten alle wichtigen argentinischen Verschlüsselungen knacken. Dies war ein wichtiger Grund dafür, dass der Krieg bereits nach etwa zehn Wochen beendet war. Quelle: Otto Leiberich
Bereits vor sieben Jahren habe ich über die Rolle der Kryptologie im Falkland-Krieg gebloggt. Inzwischen ist etwas mehr bekannt als damals, doch nach wie sind viele Informationen geheim. Falls ein Leser mehr zu diesem Thema weiß, würde mich das sehr interessieren.
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