Vor sechs Jahren berichtete ich über den US-Fotografen und -Filmemacher Bob Mizer, der mit einem Geheimcode seine Fotomodelle als Prostituierte anbot. Heute kann ich ein paar zusätzliche Informationen dazu präsentieren.

English version (translated with DeepL)

Zu den interessanten Seiten der Verschlüsselungstechnik gehört, dass man ihr oft an Orten begegnet, an denen man se nicht vermuten würde.

 

Bob Mizer

Auf ein schönes Beispiel machte mich vor sechs Jahren Erwin In het Panhuis aufmerksam. Erwins Spezialgebiet ist die Kulturgeschichte der Homosexualität. Bekannt geworden ist er unter anderem durch sein Buch über “Homosexualität bei den Simpsons”. Wir lernten uns damals bei einem Science Slam kennen, bei dem Erwin über die Geschichte der männlichen Homosexualität und ich über Steganografie vortrug. Wer hätte gedacht, dass es bei so unterschiedlichen Themen Überschneidungen gibt.

Erwins Beispiel bezog sich auf den schwulen Fotografen und Filmemacher Bob Mizer (1922-1992). Dieser wurde durch Aktaufnahmen muskulöser Männer bekannt. Solche Darstellungen werden übrigens auch als “Beefcake” (“Fleischkuchen”, frei übersetzt: “Sahneschnitte”) bezeichnet. In den damals noch sehr prüden und homophoben USA stießen Mizers Arbeiten oft auf Unverständnis.

Bob-Mizer

Quelle/Source: Quelle: Bob Mizer Foundation

Mizer ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Allen Anfeindungen und juristischen Unwägbarkeiten zum Trotz schuf er im Laufe seines Lebens mehrere Tausend Beefcake-Filme und fast eine Million Fotos. Er gab die Zeitschrift “Physique Pictorial” heraus, deren Inhalt nahezu ausschließlich aus erotischen Männerfotografien bestand. Sie wurde unter Schwulen in den USA äußerst populär. Die folgenden Beispiele stammen aus dem Buch “The Complete Reprint of Physique Pictorial: 1951-1990“, erschienen im Taschen Verlag.

Für Bob Mizers Aufnahmen interessierten sich auch andere Fotografen und Künstler, die auf diese Weise oftmals Modelle fanden und buchten. Mizer und seine Kollegen nutzten Foto- und Drehtermine auch für sexuelle Kontakte zu ihren Modellen.

Wer mehr über Bob Mizer wissen will, sollte Erwins vor ein paar Tagen erschienenen Artikel auf dem “Web-Portal Queer.de” lesen.

 

Mizers Geheimcode

Bob Mizer, so erzählte mir Erwin, nutzte einen Geheimcode, um in seiner Zeitschrift zusätzliche Informationen über seine Modelle zu übermitteln. Neben Angaben zur Zuverlässigkeit seiner Protagonisten beschrieb er auf diese Weise vor allem deren sexuellen Neigungen. Dies war ein Service für die Geschäftspartner unter seinen Lesern, die dadurch Modelle buchen konnten, die sowohl vor der Kamera als auch abseits davon ihren Vorstellungen entsprachen.

Für den genannten Verwendungszweck hätte sich ein steganografischer (also versteckter) Code angeboten. Statt einem solchen nutzte Bob Mizer jedoch ziemlich auffällige Geheimsymbole. Diese sind in vielen Bildern in der “Physique Pictorial gut zu erkennen:

Physique-Pictorial-01

Quelle/Source: Physique Pictorial

Physique-Pictorial-02

Quelle/Source: Physique Pictorial

Physique-Pictorial-03

Quelle/Source: Physique Pictorial

Physique-Pictorial-04

Quelle/Source: Physique Pictorial

Quelle/Source: Physique Pictorial

Physique-Pictorial-06

Quelle/Source: Physique Pictorial

Physique-Pictorial-07

Quelle/Source: Physique Pictorial

Jedes Symbol stand für eine Eigenschaft des jeweiligen Modells. Dazu gehörten sexuelle Präferenzen, Drogenmissbrauch, emotionale Instabilität, religiösen Eifer und Gewaltbereitschaft. Hier sind einige Beispiele:

Quelle/Source: Dian Hanson: “Bob’s World”, 2009, S. 11

Den Schlüssel zum Code teilte Mizer nur ausgewählten Geschäftspartnern mit. Später vernichtete er vorsichtshalber alle Informationen dazu, wodurch von ihm keine Beschreibung des Schlüssels erhalten geblieben ist. Trotzdem weiß man in etwa, wie der Code funktionierte. Wie ich von Erwin weiß, sind im Buch “Bob’s World” (2009) von Dian Hanson auf den Seiten 11 bis 13 etwa 70 Dechiffrierungen angegeben.

Erwähnt wird der Code auch im Film “Beefcake aus dem Jahr 1998, der auf Dailymotion in drei Teilen verfügbar ist (relevant sind die Filmsequenzen ab 6:25 in Teil 1 und ab 32:30 in Teil 2):

In Erwins Artikel auf dem “Web-Portal Queer.de” kommt auch der Geheimcode zur Sprache. Unter anderem heißt es dort:

“Ab Februar 1963 verwendete Bob Mizer in Verbindung mit seinen Fotomodellen mysteriös wirkende Symbole, die immer zahlreicher wurden. Zuerst war Mizers Erklärung, es handle sich dabei nur um eine ‘subjective character analysis’. Es stand jedoch immer auch die Vermutung im Raum, dass es sich um Hinweise auf angebotene Sexpraktiken der Models handle, die auch als Sexarbeiter tätig waren.”

Dankenswerterweise hat Erwin meinen Blog-Post aus dem Jahr 2015 verlinkt.

 

Ein nicht besonders schlauer Code

Obwohl Mizer den Schlüssel vernichtete, brachte ihm der Code später noch einigen Ärger ein, da sich damit der Vorwurf der Prostitution und der üblen Nachrede belegen ließ.

Besonders schlau war Mizers Vorgehen nicht. Hätte er seinen Code mit steganografischen Techniken (also versteckt) umgesetzt, hätte er dessen Existenz jederzeit abstreiten können. Möglichkeiten hätte es sicherlich viele gegeben. Ein Beispiel: Bei jedem Model werden die (angeblichen) Hobbys angegeben, etwa Lesen, Musik, Wandern und Schwimmen. Jedes dieser vermeintlichen Hobbys steht für eine sexuelle Vorliebe. Es dürfte klar sein, dass man in diesem Fall das Vorhandensein eines Codes kaum beweisen kann. Es sei denn, man weist nach, dass die betreffende Person weder liest noch Musik hört noch wandert noch schwimmt.

Schon nach meinem letzten Artikel zum Thema gab es ein paar Beiträge zur Frage, wie eine besserer Code hätte aussehen können. Einen Vorschlag habe ich weiter oben unterbreitet. Vielleicht haben meine Leser ja noch weitere Ideen.


Further reading: How a steganographic message caused a scandal in Austria

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