Quelle/Source: eBay

Auf eBay wurde eine russische Chiffrierscheibe versteigert. Weiß ein Leser, wann, wo und wie dieses Gerät verwendet wurde?

English version (translated with DeepL)

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Quelle/Source: Schmeh

 

Eine russische Chiffrierscheibe

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema des Tages. Bei meinen Streifzügen durch das Internet bin ich mal wieder auf ein interessantes Verschlüsselungswerkzeug gestoßen, das ich noch nicht kannte. Es handelt sich um eine russische Chiffrierscheibe, die für ein Startgebot von 3600 Euro auf eBay angeboten wurde.

Quelle/Source: eBay

Laut eBay ist die Scheibe aus Bronze, wiegt 24 Gramm und ist 41×47 Millimeter groß. Sie soll Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts militärisch eingesetzt worden sein.

Die oben gezeigte Vorderseite der Scheibe bildet jeden Buchstaben des kyrillischen Alphabets auf ein Morsezeichen ab. Damit lässt sich eine Caesar-Chiffre oder (wenn die Scheibe ab und zu gedreht wird) eine polyalphabetische Verschlüsselung realisieren. So etwas gab es bereits im 15. Jahrhundert. Besonders innovativ war dieses Gerät also nicht. Eine akzeptabkle Sicherheit bot es nur, wenn man die Scheibe jeweils nach ein paar verschlüsselten Buchstaben verdrehte. Auf diese Weise wurde eine Chiffrierscheibe jedoch nur selten genutzt.

Die Verschlüsselungsverfahren der russischen Armee waren bis in den Ersten Weltkrieg hinein ziemlich schwach, wie man beispielsweise in “The Codebreakers” von David Kahn nachlesen kann. Diese Chiffrierscheibe passt also durchaus ins Bild.

 

Die Rückseite

Die Rückseite der Scheibe sieht deutlich komplexer aus:

Quelle/Source: eBay

Durch die Abdeckung ist jeweils nur ein Drittel der darunter liegenden Scheibe zu erkennen.

Quelle/Source: eBay

Laut eBay-Beschreibung sind hier verschiedene militärische Signale mit zugehöriger Morse-Kodierung aufgeführt. Diese konnte man mit der Vorderseite der Scheibe verschlüsseln.

 

Lässt sich mehr herausfinden?

Leider gibt es auf der eBay-Seite nur wenige Informationen zur Geschichte und zur Nutzung dieser Chiffrierscheibe. Sie soll bei der Armee und der Marine verwendet worden sein, und zwar von Signalgebern, Beobachtern, Verschlüsslern, Funkern und Aufklärern. Kann ein Leser mehr dazu sagen?


Further reading: Verschlüsselte Weihnachtspostkarte aus dem Jahr 1903 gelöst – mit überraschendem Ergebnis

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Kommentare (25)

  1. #1 EDW
    21. Dezember 2021

    Beim Blick auf das Foto dachte ich erstmal an eine Weihnachtsbaum-Kugel.

  2. #2 Gerd
    22. Dezember 2021

    Eine google Bildersuche nach
    Сигнальный Репеек
    (copy/paste aus der Ebay Anzeige, steht auch auf der Scheibe) fördert einige gleichartige Scheiben zu Tage.
    Beschreibungen und Kommentare in Foren kann man per google Übersetzer dann lesen. Wird als “selten” und 1.Weltkrieg beschrieben.

  3. #3 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    Ohne mich damit auszukennen
    Das kyrillische “c” – entsprechen dem lateinischen “s” – hat als hat als Verschlüsselung ein “…”
    Die 5 hat als Verschlüsselung ein “…..”

    Das erinnert mich sehr an das Morsealphabet. Könnte es sein, dass es sich einfach um eine “Merkscheibe” für ein kyrillisches Morsealphabet handelt?

  4. #4 Norbert
    22. Dezember 2021

    Das kyrillische “c” – entsprechen dem lateinischen “s” – hat als Verschlüsselung ein “...”

    Ja, das sollte es haben, eingestellt ist aber offensichtlich ...- (das C ist ausgewählt, aber halb verdeckt). Der äußere Ring lässt sich also verdrehen, das zeigt auch der Vergleich mit anderen über Suchmaschinen auffindbaren Bildern, siehe Gerds Kommentar. Es ist also tatsächlich ein einfaches Chiffriergerät, zumindest auf dieser Seite. Nur in der Grundeinstellung wäre es eine einfache Morsetabelle, dafür müsste das markierte Segment (“dot dash”) auf “A” gestellt werden.

    Bei der Rückseite bezweifle ich eher, dass die Signale noch einmal zusätzlich verschlüsselt werden sollten. Nehmen wir zum Beispiel das im oberen Bild sichtbar gedrehte linke Segment: Hier gibt kurze Signale à 2 Buchstaben, die anzeigen, ob “unsere Geschosse” zu weit, zu kurz, rechts vorbei, links vorbei oder ins Ziel gehen. Ich nehme an, dass es eher kontraproduktiv gewesen wäre, solche kurzlebigen Informationen zu verschlüsseln.

    Interessant finde ich die Morsecodierung der Zahlen – dieses System war mir bisher unbekannt.

  5. #5 Jerry McCarthy
    England, Europa...
    22. Dezember 2021

    Unter anderem ist es ein Morse Caesar Cipher-Gerät.

    Der äußere Ring bewegt sich relativ zu den Morsezeichen: In diesem Fall wird А(A) zu Л(L), Б(B) wird zu М(M), В(V) wird zu Н(N), und so weiter.

  6. #6 Jerry McCarthy
    England, Europa...
    22. Dezember 2021

    Weiter; auf diesem Gerät gibt es ein paar Buchstaben, z.b. Ѣ und і , die seit 1918 nicht mehr existieren.

    (Ich hätte gerne einen für meinen Weihnachtsbaum)

  7. #7 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    @Norbert:
    Die Morsecodierung der Zahlen stimmt größtenteils mit der Tabelle in Wikipedia überein:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Morsecode#Standard-Codetabelle
    Dort zieht man auch die Umkehrung des Codes bei den fraglichen Zahlen, aber nicht so direkt.

  8. #8 YeS
    22. Dezember 2021

    As I understand it’s a kind of a cheatsheet for a signaler used to communicate with signal flags.

  9. #9 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    Ich möchte reumütig anmerken, ich habe die “Vorderseite” (ohne Segmentauschschnitt) nicht wirklich betrachtet, sondern nur die “Rückseite” (mit Segmentausschnitt). Auf der Vorderseite ist eine einfache Buchstabenersetzung direkt implementiert. Insofern hat Norbert in #4 völlig Recht.

  10. #10 Norbert
    22. Dezember 2021

    @gedankenknick:
    Nur 4, 5 und 6 stimmen überein. Bei den anderen Zahlen gibt es auf der Chiffrierscheibe sogar Überschneidungen mit Buchstabensymbolen. Eindeutigkeit wird dadurch hergestellt, dass man “dash dash dash dot” für ч (число = Zahl) voranstellen muss.

    Im heutigen internationalen Morsecode sind Ziffernsymbole eindeutig, und man muss kein Extrazeichen voranstellen, so viel ich weiß. Auch historische Systeme mit dieser Eigenheit waren mir bis dato nicht bekannt … Man lernt halt immer dazu 🙂

  11. #11 ElSaxo
    22. Dezember 2021

    Ich war mal Koordinaten-Empfangsfunker, da wurden ausschliesslich Ziffern gesendet und nur die kurzen Codes für die Ziffern verwendet. Damit kann man dann 120 bis 140 Zeichen pro Minute übertragen. Die Ziffern-Codes mit den vielen Strichen wären da einfach zu lang.

  12. #12 Norbert
    22. Dezember 2021

    @ElSaxo:
    Ah, das ist interessant, danke für den Hinweis! Waren die Kurz-Codes denn auch so wie auf der Chiffrierscheibe?

  13. #13 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    @Norbert
    Ich denke, die “Null” mit “-” als Morsecode statt “- – – – -” dient der Beschleunigung der Übertragung. Die Verwechslung mit den “Я” (“ja”) dürfte durch den umgebenden Kontext größtenteils ausgeschlossen sein. Ähnliches dürfte für 1/9 Л(L)/Ш; 2/8 Ѣ/П(P) und 3/7C(S)/M gelten.

    Ich bin mir nicht sicher, ob im WWI Koordinaten mittels Buchstaben-Zahlen-Kombinationen übertragen wurden, würde dies aber eher für “unhandlich” ansehen.

  14. #14 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    Danke an ElSaxo #10. Dies stützt meine Überlegung.

  15. #15 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    Ich hatte auf den ersten Blick die “Vorderseite” für ein zusammenhängendes Stück gehalten. Wenn sie allerdings aus einem äußerem Ring und einer inneren (zu dem äußeren Ring beweglichen) Scheibe besteht, ergibt die Caesar-Verschlüsselung mehr Sinn, da sie dynamisch geändert werden kann. Ich habe diese Möglicheit bisher übersehen – vielleicht bin ich ja der einzige. 😉

  16. #16 Gerd
    22. Dezember 2021

    @gedankenknick,#7:
    Eine Tabelle mit dem normalen russischen Morse-Code ist hier:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Russian_Morse_code
    Die Zahlen sind Kurzversionen, wie in #11 erwähnt.

  17. #17 Jerry McCarthy
    England, Europa...
    22. Dezember 2021

    Einer meiner Kollegen, der “an experienced ham morse operator” ist, hat mir das Folgendes geschickt: “I’m not sure how practical this device would be… It would be much easier to do the “encryption” as text, then send the correct Morse for that, rather than trying to “Unlearn” the Morse code and send different patterns for the letters. And receiving, at speed, would be almost impossible: I think it would only be any use for sending v….e….r….y….s….l….o….w….l….y !”

  18. #18 Gerd
    22. Dezember 2021

    In diesem Artikel ist die Scheibe auch erwähnt:
    https://www.eg.ru/society/884745-orujie-tayny-pochemu-fricy-ne-smogli-vzlomat-russkiy-kod-055837/
    Kann das jemand übersetzen?

  19. #19 gedankenknick
    22. Dezember 2021

    @Jerry McCarthy
    Ich denke, Sie sehen das Problem aus einer sehr “modernen” Perspektive. Im WWI gab es m.E. viel weniger ausgebildete und erfahrene Funker (an der Front), aber dafür viel mehr Zeit im Schützengraben beim Stellungskrieg. Also hat ein einfacher Soldat (ohne große Kenntnisse in Codierung, Morsezeichen und Funk) die Nachricht per Device Buchstabe für Buchstabe direkt in codierte Morsezeichen übersetzt; dieses wurde von einem einfachen Soldaten gesendet, und ein ausgebildeter Funker hat die Nachricht empfangen und (ja nach Trainingszustand) vermutlich im Kopf direkt decodiert bei einer Caesar-Chiffre.

    Das alles hat mit heutigem Funken so viel zu tun wie das damalige Abwerfen von “Hand”-Granaten aus Doppeldeckern mit dem Abwurf einer heutigen lasergeführten Paveway-GBU.

  20. #20 Jerry McCarthy
    England, Europa
    22. Dezember 2021

    Ich sehe nur ein Bild und die Worte “Шифровальный диск времен Первой мировой войны” (“Verschlüsselungsdiskette aus dem Ersten Weltkrieg”).

    Leider sehe ich nicht mehr über diesem Gerät 🙁 .

  21. #21 Klaus Schmeh
    23. Dezember 2021

    Hamid Hadigol via Linked-in:
    It seems based on Persian “Astrolabium”, that was an ancient astronomical instrument that was a handheld model of the universe.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Astrolabium

  22. #22 Klaus Schmeh
    23. Dezember 2021

    Danke für die vielen Kommentare. Anscheinend ist die Scheibe nicht völlig unbekannt. Eine nennenswerte Sicherheit hat sie wohl schon damals nicht geboten.

  23. #23 EDW
    23. Dezember 2021

    Ich finde es erstaunlich, dass jemand für diese Chiffrier-Scheibe 3600 Euro bezahlt hat. Ist sie wirklich so viel Wert?

  24. #24 Norbert
    24. Dezember 2021

    @EDW: 3600 Euro war der Startpreis, aber es wurde kein Gebot abgegeben.

  25. #25 Klaus Schmeh
    29. Dezember 2021

    Alexander Ulyanenkov via Facebook:
    1) Fortune- telling disk in Russian, 2) for people who deaf-dumb / blind quick answers 3) for spy (to show to the colleagues the situation). Anyhow – it is in old Russian before 1917.