Wie kann man Musiknoten zum Kodieren einer geheimen Nachricht verwenden? Mit dieser Frage beschäftigen sich Menschen schon seit Jahrhunderten. Heute will ich einige Beispiele vorstellen.

English version (translated with DeepL)

Wer sich mit der versteckten Übertragung geheimer Nachrichten (Steganografie) beschäftigt, stößt früher oder später auf die Idee, Buchstaben mithilfe von Musiknoten zu kodieren. Die Idee hierzu ist schon einige Jahrhunderte alt, und natürlich gibt es in meinem Buch “Versteckte Botschaften – Die faszinierende Geschichte der Steganografie” ein Kapitel dazu.

Quelle/Source: Dpunkt Verlag

Naheliegenderweise könnte man zum Kodieren die Notennamen A, B, C, D, E, F, G nehmen (aus unerfindlichen Gründen heißt das B in Deutschland H), doch das reicht nicht aus. Immerhin lässt sich damit Buchstabenfolge B-A-C-H kodieren, was bekanntlich schon Johann Sebastian Bach gemacht hat.

Man kann auch willkürlich jeder Note einen Buchstaben zuweisen (beispielsweise kann eine halbe C-Note für das A und eine halbe D-Note für das B stehen), doch ein auf diese Weise generiertes Stück klingt reichlich seltsam. Ein musikkundiger Zensor würde sofort Verdacht schöpfen.

Im Laufe der Jahrhunderte sind zwar zahlreiche Musiknoten-Chiffren unterschiedlicher Qualität entstanden, doch eine systematische Übersicht ist mir bisher nicht bekannt. Der vorliegende Artikel soll daher eine Grundlage für eine solche Übersicht liefern. Ich werde im Folgenden ein paar Beispiele vorstellen und hoffe, dass ich durch die Anregungen meiner Leser sowie durch eigene Recherechen eine immer länger werdende Liste zusammenstellen kann.

 

John Wilkins

Fangen wir mit einem sehr einfachen Beipsiel an. Der Pfarrer und Kryptologe John Wilkins (1614-1672) entwickelte im 17. Jahrhundert folgenden Code:

Quelle/Source: Public Domain

 

Daniel Schwenter

Einen ähnlichen Code schlug ebenfalls im 17. Jahrhundert der Universalgelehrte Daniel Schwenter (1585-1636) vor:

Quelle/Source: Public Domain

Das folgende Stück enthält eine auf diese Weise kodierte Nachricht:

Quelle/Source: Public Domain

 

Gustavus Selenus

August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel (bekannt auch unter dem Pseudonym Gustavus Selenus) schuf die folgende musikalischen Nachricht:

Quelle/Source: Public Domain

Auf Anregung von Blog-Leser Gerhard Strasser hat ein Orchester in den USA dieses Stück aufgenommen:

Die Nachricht ist in den gelb markierten Linien versteckt.

 

Maurice de Raoulx

Im Oktober 2020 habe ich über ein Musiknoten-Kryptogramm des Komponisten und Musikers Maurice de Raoulx aus dem Jahr 1854 gebloggt:

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Blog-Leser und Jazz-Musiker Henning Wolter hat den Anfang dieses Stücks dankenswerterweise mit dem Klavier eingespielt. Es klingt nicht gerade hitverdächtig.

Meine Leser haben einiges zu den Hintergründen des Stücks herausgefunden, wie man den Kommentaren zum verlinkten Artikel entnehmen kann. Meines Wissens ist aber dennoch nicht bekannt, welche Nachricht hier versteckt ist.

 

William und Elizebeth Friedman

Ein weiteres Beispiel für eine Musiknoten-Chiffre ist die folgende Weihnachtskarte der Kryptologen William und Elizebeth Friedman aus dem Jahr 1933:

Friedman-Christmas-1933

Quelle/Source: George C. Marshall Foundation

Unten rechts wird erklärt, wie der Code funktioniert. Zwei gleichzeitig gespielte Noten stehen für einen Buchstaben. Die Nachricht lautet: HOLIDAYS ARE HERE AGAIN WE SING OUR SONG OF CHEER AGAIN.

Mit einem Notensatz-Programm dieses Stück vertont:

Ein Meisterwerk klingt sicherlich anders. Dennoch dürfte ein solches Notenblatt nicht sofort Verdacht erregen.

 

Nils Kopal

Cipherbrain-Leser Nils Kopal hat letztes Jahr ebenfalls eine Musiknoten-Chiffre entwickelt. Diese ist mit der Software CrypTool anwendbar. Die Details werden im folgendem Video erklärt:

Das folgende Stück wurde mit der entsprechenden CrypTool-Funktion geschaffen:

Quelle/Source: Kopal

Wie man im Video erfährt, hat Nils einen Preis für die Lösung dieses Kryptogramms ausgesetzt. Diese wurde inzwischen jedoch gefunden.

 

Weitere Musiknoten-Chiffren

Es gibt natürlich noch weit mehr Musiknoten-Chiffren. Ich werde diese Liste daher sicherlich demnächst erweitern. Außerdem freue ich mich über entsprechende Hinweise.


Further reading: Double Bottom: Ein kryptomusikalisches Gewinnspiel

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Kommentare (16)

  1. #1 Klaus Schmeh
    23. Januar 2022

    Tony Patti via Linked-in:
    Thanks Klaus Schmeh, your article is wonderful compilation. I know that many of the group members are interested in steganography, and I agree with your statement that “Anyone who studies the hidden transmission of secret messages (steganography) will sooner or later come across the idea of encoding letters using musical notes.”

  2. #2 satoshi
    http://cryptiana.web.fc2.com/code/crypto.htm
    23. Januar 2022

    A very interesting compilation. Thank you. (I wanted to do this some day.) You may add:

    – Thicknesse, “A Treatise on the Art of Decyphering, and of Writing in Cypher: With an Harmonic Alphabet” deals with musical note ciphers
    https://books.google.co.jp/books?id=OacwAAAAMAAJ&pg=PP7&hl=ja&source=gbs_selected_pages&cad=3#v=onepage&q&f=false
    – Dlandol, Le contr’espion, ou les clefs de toutes les correspondances secrettes (1793) p.41
    https://books.google.co.jp/books?id=X67MswmXypoC&pg=PA3&lpg=PA3#v=onepage&q=marigny&f=false
    – Cipher of Marco Antonio Colonna based on musical notes. 1564. AGS. Status-1/204.
    https://translate.google.co.jp/translate?hl=ja&sl=es&tl=en&u=https%3A%2F%2Felsalondecris.blogspot.com%2F2018%2F05%2Fsabias-que-cartas-cifradas-durante-el.html (machine translation)
    – Musical Notes Concealing A Warning to Fleeing Prince Charles (my own article)
    http://cryptiana.web.fc2.com/code/charlesmusical.htm
    – General Pichegru’s Treason (1915)
    https://www.google.co.jp/books/edition/General_Pichegru_s_Treason/pXU2AAAAMAAJ?hl=ja&gbpv=1&bsq=%22general+pichegru%27s+treason%22&dq=%22general+pichegru%27s+treason%22&printsec=frontcover
    p.167 mentions “musical cipher”

  3. #3 Klaus Schmeh
    23. Januar 2022

    @Satoshi:
    Thank you very much! I will use these examples to extend my list.

  4. #4 Karo
    Otterfing
    24. Januar 2022

    hier findet sich von Maurice de Raoulx das Stück und ein Brief von ihm. Ich kann kein französisch und es nicht lesen. Vielleicht steht da was zu seinem Code?

    https://www.alamy.com/partition-musicale-du-compositeur-maurice-de-raoulx-avec-une-invention-image152826727.html

  5. #5 Thomas
    24. Januar 2022

    Zu dem Raoulx-Brief: Im Wesentlichen geht es nur darum, dass er seinen Code dem Direktor des Telegraphenwesens anpreist. Weiter erwähnt er, dass sich der Code durch die Rhythmusangabe über dem Titel oben auf der Seite in Verbindung mit einem (wohl bestimmten, im Brief aber nicht näher bezeichneten) Wörterbuch verwenden lässt.

  6. #6 David Oranchak
    http://zodiackillerciphers.com
    24. Januar 2022

    In your post, “Musical cryptogram by Guy de Cointet”, you said:

    “It says de Cointet used a method from the cryptography book ‘Secret Writing’ (1936) by Henry Lysing. Unfortunately, Matthew did not have this book available. It is not on my shelf either.”

    I have that book and found the musical cipher. It’s a simple substitution using notes. Here are the relevant pages:

    http://zodiackillerciphers.com/images/lysing-musical-1.jpg

    http://zodiackillerciphers.com/images/lysing-musical-2.jpg

  7. #7 schorsch
    24. Januar 2022

    Wer von ‘unerfindlichen Gründen’ schreibt schreit danach, verbessert zu werden.

    Wikibooks erledigt das doch gern: https://de.m.wikibooks.org/wiki/Musiklehre:_Das_Problem_mit_dem_Notennamen_H

    Kurz: Das ‘weiche’ b, b molle, wird typographisch durch ein ‘b rotundum’, ein ‘rundes’ b dargestellt, das ‘harte’ b hingegen durch ein ‘b quadratum’.

    Da ersteres dem klassischen b entspricht, letzteres hingegen in den Setzkästen der guttenbergschen Zeit nur selten zu finden war, wurde es durch das ähnlich aussehende h ersetzt.

    Nicht nur im deutschen, übrigens, sondern auch im polnischen und anderen Sprachen.

  8. #8 Klaus Schmeh
    24. Januar 2022

    Ron K. via Linked-in:
    Very interesting read, thank you!

  9. #9 Klaus Schmeh
    24. Januar 2022

    @David Oranchak:
    >I have that book and found the musical cipher.
    Thanks for sharing.

  10. #10 satoshi
    Yokohama
    25. Januar 2022

    I remembered some more instances:
    Francesco Lana Terzi (1670)
    http://omeka.wustl.edu/omeka/exhibits/show/semeiology/cryptography

    Dishonored (1931), a film starring Marlene Dietrich
    This shows a music sheet which codes some message. (Probably, it does not make sense cryptographically.)

    I wrote about two examples from Japanese literature in my blog.

    Googling seems to find more.

  11. #11 Thomas
    25. Januar 2022

    Zum Raoulx-Kryptogramm heißt es auf der Facebook-Seite des französischen Nationalarchivs anlässlich einer Ausstellung, dass man für die Übertragung der Wörter ein “dictionnaire de chiffre” (Codebuch) benötigt. Da das Codebuch (von Raoulx in seinem Brief als “Son dictionnaire” bezeichnet), in dem die Noten bzw. Notenkomplexe Wörtern zugeordnet sind, nicht weiter erwähnt wird und auch nicht abgebildet ist, ist es wohl nicht im Besitz des Nationalarchivs.

  12. #12 Thilo
    25. Januar 2022

    Was für Knoten?

  13. #13 Klaus Schmeh
    25. Januar 2022

    @Thilo:
    >Was für Knoten?
    Es geht um Musi-Knoten. Die gibt es dort, wo Blumento-Pferde Tran-Sport betreiben.

  14. #14 Klaus Schmeh
    25. Januar 2022

    @Thomas:
    >ist es wohl nicht im Besitz des Nationalarchivs.
    Das heißt wohl, dass man diese musikalische Botschaft in die Liste der ungelösten Verschlüsselungen aufnehmen kann.

  15. #15 Klaus Schmeh
    25. Januar 2022

    @Satoshi:
    >I remembered some more instances:
    Thank you very much. The list is growing.

  16. #16 Thomas
    25. Januar 2022

    In der Krytographie haben sie auch ohne Musi eine Bedeutung: https://www.labbe.de/blog/Knotenbotschaft