Ein lokaler Kaffeehausbesitzer erzählte, dass er schon häufiger beobachtet hätte, dass an diesem Strand Delfine Menschen schubsen. In diesem Jahr seien die Meeressäuger allerdings deutlich rabiater geworden und würden sich regelrecht auf die Menschen stürzen.
Mittlerweile scheint es keine weiteren Interaktionen zu geben – ob die Menschen Abstand halten, die akustischen Scheuchgeräte wirken oder der Delfin sich beruhigt hat, ist nicht geklärt.
Ob es für die Verhaltensänderung der Delfine einen Auslöser gegeben hat, ist nicht bekannt.
Delfine sind keine Kuscheltiere
Wenn ich jemandem erzähle, dass ich mit Walen gearbeitet habe, ist die erste Frage immer, ob ich mit den Meeressäugern geschwommen bin. Nein, natürlich nicht. Meine Schnabelwal-Forschung habe ich an Schädeln in Museumssammlungen durchgeführt. Bestandsaufnahmen haben wir in antarktischen Gewässern von einem Forschungseisbrecher aus durchgeführt – schnelle Finnwale würde man an sich vorbeischwimmen sehen und bei 12°C Wassertemperatur macht schwimmen vielleicht auch keinen Spaß. Zumal die Bestandsschätzungen am besten von möglichst weit oben klappen. Auch die tieftauchenden Pottwal-Bullen in nordnorwegischen Gewässern sind nicht unbedingt aufs Kuscheln aus. Als wir bei einer Pottwal-Safari großmäulige deutsche Extremtouristen dabei hatten, die bei 12°C Wassertemperatur neben den Walen tauchen wollten, haben wir Guides die einfach reden lassen – am nächsten Tag draußen auf See war natürlich keine Rede mehr davon.
Entgegen der in breiten Teilen der Öffentlichkeit herrschenden Meinung sind Delfine und andere Wale keinesfalls begeistert, wenn Menschen mit ihnen schwimmen wollen. Gerade Delfine tragen immer noch schwer an der Ära „Flipper“. Oft sind sie ja auch neugierig und nähern sich Booten, reiten in der Bugwelle von Schiffen oder suchen manchmal sogar die Interaktion mit Schwimmenden. Allerdings sollte man dann einfach den Moment genießen und nicht unbedingt versuchen, nach ihnen zu grabschen oder unbedingt ein gemeinsames Selfie aufnehmen zu wollen. Das mögen sie nämlich nicht, sondern finden das sogar oft extrem stressig (Darum bitte auch Hotelanlagen, die Schwimmen mit gefangenen Delfinen anbieten, meiden). Und dann sollte man sich noch klar machen, dass ein Indopazifischer Großer Tümmler 2,60 Meter lang und bis zu 230 Kilogramm (Kein Schreibfehler!) schwer wird und sich im Wasser wesentlich geschickter als wir bewegt. Diese Kleinwale sind pralle Muskelpakete und können einem Menschen schnell durch einen Rempler die Rippen oder Extremitäten brechen. Ihr Gebiß besteht aus 20 bis 29 Zähnen pro Kieferhälte und durchlöchert Fische und Tintenfische zuverlässig, „piercing“, nennen Biologen das. Dass der genervte Kleinwal am japanischen Badestrand nur etwas zugeschnappt hat, zeigt, dass er wohl genervt, aber nicht wirklich aggressiv war.
Dass Delfine weltweit unter Artenschutz stehen, bedeutet übrigens auch, dass man sie nicht scheuchen, angrabbeln oder anderweitig nerven sollte.
Delfine sind gewandte Jäger mit tödlichen Gebissen, die selbst kräftige und schnelle Meereswesen wie große Fische oder intelligente Kopffüßer überwältigen und verspeisen. Als Top-Prädatoren sind sie nicht immer nett zu anderen Meeresbewohnern, nicht einmal zu anderen Walen und ihren eigene Gruppenmitgliedern: Manche mobben und verletzen Weibchen und Jungtiere.
Gerade Tursiops-Bullen sind mittlerweile dafür bekannt, dass sie in manchen Beständen kleinere Wale töten: Vor Schottland haben ein Delfinbulle bzw. eine Gang schon mehrfach Kälber der eigenen Gruppe getötet, solche Infantizide sind bei Walen selten (Allerdings mittlerweile auch bei Orcas beobachtet). Die bis zu 3,5 Meter großen Tursiops-Bullen vor Schottland prügeln immer wieder junge Schweinswale zu Tode, die dann mit schwersten Bißwunden und Knochenbrüchen tot an den Stränden angespült werden.
Auch sexuell motivierte Gewalt kommt immer wieder vor. Manche Bullen schüchtern die Weibchen definitiv durch Drohungen, Gewalt und andere Schikanen ein, um sie zur Kopulation zu bewegen. VerhaltensforscherInnen diskutieren bis heute, ob männliche Delfine Weibchen vergewaltigen, weil das eine moralische und juristische Komponente beinhaltet. Außerdem zeigen Delfine manchmal sexuell motiviertes Verhalten gegenüber anderen Arten und Menschen, dabei handelt es sich nach Aussage der Verhaltensbiologie aber um sexual coercion, was nicht der Reproduktion dient. Es ist wohl vielmehr das sogenannte Aufreiten, ein bei Säugetieren verschiedenster Spezies übliches Verhalten. Delfine beider Geschlechter und aller Altersgruppen können es zeigen. Es kommt auch vor, dass Weibchen bei Männchen aufreiten und Jungtiere bei ihren Müttern. Die möglichen verhaltensbiologischen Erklärungen reichen von spielerischem Verhalten und Bestätigen von Freundschaft bis zu Dominanz- und Aggressions-Verhalten (Diese Diskussion ist ausführlicher hier zu finden).
Dusty, der genervte Delfin
Angriffe von Großen Tümmlern auf Menschen sind selten, kommen aber immer wieder vor. 2013 kam es in Irland innerhalb von zehn Tagen immer wieder zu Angriffen durch denselben Delfin namens „Dusty“ an der Küste vor dem County Clare. Das erwachsene Weibchen war ein regelmäßiger Gast vor der Küste, wie es dort manchmal vorkommt. Normalerweise sind solche Delfine dann lokale Attraktionen und interagieren mit Badegästen und Booten. 2013 rammte „Dusty“ allerdings ohne ersichtlichen Grund innerhalb von zehn Tagen zwei Frauen: Die erste Schwimmerin erlitt Rippenfrakturen, geprellte Wirbel und Lungenschäden, die andere Schwimmerin brauchte nach einem Rammstoß in den Unterleib medizinische Versorgung.
Kommentare (15)