Auf meine Leser war mal wieder Verlass. Dank eines Hinweises kann ich heute den verschlüsselten Tagebucheintrag der mysteriösen Isdal-Frau präsentieren, der mir vor vier Tagen noch fehlte.
Wer war die Frau, deren Leiche am 29. November 1970 in der Nähe von Bergen (Norwegen) aufgefunden wurde? Bis heute weiß man es nicht. Die Ermittlungen der Polizei ergaben, dass sie mit mehreren Falschnamen und falschen Papieren unterwegs gewesen war und daher wohl eine Geheimagentin gewesen sein musste. Was sie tat und für wen sie arbeitete, ist nicht bekannt. Wer Genaueres über die mysteriöse Isdal-Frau wissen will, sollte den englischsprachigen Wikipedia-Eintrag lesen (einen deutschen gibt es nicht).
Im Nachlass der Isdal-Frau fand die Polizei verschlüsselte Tagebuch-Aufzeichnungen – daher ist der Fall auch relevant für Klausis Krypto Kolumne. Allerdings konnte ich im Internet nichts über diese Notizen finden. Vor vier Tagen stellte ich daher die Isdal-Frau in einem Artikel vor und fragte meine Leser, ob jemand etwas über diese Aufzeichnungen weiß.
Noch am gleichen Tag bekam ich eine E-Mail von einem anonymen Leser aus Schweden. Er wies mich auf das norwegische Buch Isdalskvinnen – operasjon Isotopsy von Tore Osland als mögliche Quelle hin. Dieses Werk wird im Wikipedia-Artikel erwähnt, ich hätte also auch selbst darauf kommen können. Allerdings ist dieses Buch in Deutschland nur schwer zu bekommen. Daher schrieb ich Tore Osland eine Mail. Dankenswerterweise antwortete er postwendend und schickte mir eine Seite seines Buchs zu, auf der der verschlüsselte Eintrag zu sehen ist (leider nicht als Original-Scan, sondern in transkribierter Form). Demnach könnte die verschlüsselte Passage im Tagebuch etwa so ausgesehen haben:
Und was bedeutet das? Osland schreibt in seinem Buch folgendes:
“Eksperten antok at B var for Bergen, S Stavanger; O Oslo, L London, R Roma, P Paris, M sto for mars, AL for april osv. MM, JJ og ML var til a begynne med uforstaelig. En kontroll av fremmedskjemaer og flyselskapenes lister mot notatene 20 M 23 M merket med O, viste seg å føre til en Genevieve Lancier som var ankommet Oslo med fly fra Geneve allerede 20. mars og oppholdt seg i Bergen 24.-31. mars. De to linjene foran tydet på at hun var i London 11.-16. mars og i Genéve 16.-19. mars før hun dro til Oslo.”
Das heißt wohl (leider kann ich kein Norwegisch, vielleicht kann ein Leser den Absatz übersetzen), dass B für Bergen, S für Stavanger, O für Oslo, L für London, R für Rom und P für Paris steht. M steht für März, AL für April. Anscheinend war die Isal-Frau am 20. März in Oslo angekommen und hielt sich vom 24. bis 31. März in Bergen auf. Vom 11.-16. März war sie in London und danach bis zum 19. März in Genf. Ein Abgleich mit den Daten von Fluggesellschaften ergab, dass eine Frau namens Genevieve Lancier dazu passende Flugreisen unternommen hatte. Dies war wohl einer der Falschnamen, die die Dame verwendete.
Es dürfte klar sein, dass diese Aufzeichnungen, die die Polizei entschlüsseln konnte, den Fall nicht lösten. Aber immerhin verrieten sie einige Informationen, an die man ohne die Dechiffrierung nicht herangekommen wäre.
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Zum Weiterlesen: Kryptogramm aus dem Jahr 1900: Die verschlüsselten Memoiren des Simeone Levi
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