Einerseits ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Freund von Gesundheitsdaten. Vor kurzem hat er das Gesundheitsdatennutzungsgesetz auf den Weg gebracht. Es soll der Forschung und vor allem auch der Industrie den Zugang zu den Daten der Krankenkassen erleichtern. Gesundheitsdaten sollen so zur Entwicklung neuer Therapien beitragen und, so Lauterbach, die Standortbedingungen der Pharmaindustrie in Deutschland verbessern.

Andererseits steht Karl Lauterbach mit den Daten selbst immer wieder auf Kriegsfuß. Beispielsweise überzeugen die Daten nicht, die er als Begründung für mehr Herzkreislauf-Prävention anführt. Auch sonst sprechen die Daten und der Minister nicht immer die gleiche Sprache.

Jetzt lobt er den Aufbau des neuen Panels „Gesundheit in Deutschland“ am RKI. Es geht um eine Studie mit ca. 30.000 Probanden, repräsentativ für die Bevölkerung ab 16 Jahren und so angelegt, dass sie auch Längsschnittbetrachtungen ermöglicht. Das ist ein guter Ansatz. Aber die Begleitmusik dazu irritiert doch sehr. Lauterbach heute im Ärzteblatt:

„Es ist ein gesundheitspolitischer Skandal, dass wir aktuell keine repräsentative Übersicht darüber haben, wie gesund die Bevölkerung eigentlich ist.“

Weiter heißt es, Lauterbach habe gesagt, dass man doch wissen müsse, wie viele Menschen psychisch oder chronisch krank sind und was Einkommen oder Migrationshintergrund damit zu tun haben. Sehr richtig. Lauterbach:

„Zu diesen Fragen wollen wir endlich belastbare Daten haben.“

Gab es solche Daten denn bisher nicht? Kennt der Minister nicht das Gesundheitsmonitoring am RKI, mit den drei Säulen KIGGS, DEGS und GEDA? Weiß er wirklich nicht, dass dort zu seinen Fragen schon seit Jahren Daten erhoben und in Gesundheitsberichten veröffentlicht wurden? Dass die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland inzwischen einen auch international anerkannten Standard hat? Eher mangelt es daran, dass die vorhandenen Daten gesundheitspolitisch zu wenig genutzt werden. Man suche z.B. einmal die Bundestagsdebatten, in denen die Gesundheitsberichte des RKI vom jeweils amtierenden Gesundheitsminister eingebracht, von den Abgeordneten diskutiert und zur Ableitung von Gesetzesvorhaben genutzt wurden.

Vielleicht will Lauterbach aber auch nur seinem neuen Bundesinstitut BIPAM eine Art Zauber des Anfangs in die Wiege legen. Aber ob das dann wirklich so viel mehr ist als das, was es vorher auch schon gab, jedoch seit zwei Jahren nicht mehr weiterentwickelt wurde?

Unklar bleibt auch, was mit den bei KIGGS und DEGS bisher integrierten medizinischen Untersuchungen ist. Gibt es die künftig nicht mehr, sondern nur noch Befragungen? Haben wir dann weniger als bisher? Zumal bekanntlich manche Sachverhalte über Befragungen allein nicht gut zu erfassen sind. Das konnte man im Gesundheitsmonitoring des RKI immer wieder sehen, etwa am Beispiel Adipositas.

Und was ist mit den Kindern? Das Leben fängt ja nicht mit 16 Jahren an und die Kindergesundheit soll doch ein Schwerpunkt des neuen Bundesinstituts werden – hieß es. Bleibt zu hoffen, dass diese Module noch nachgeliefert werden, damit der Datenzauber am BIPAM nicht am Ende zu einem bösen Erwachen führt und belastbare Daten zur Kindergesundheit fehlen. Das wäre dann wirklich ein gesundheitspolitischer Skandal.

Kommentare (19)

  1. #1 smoeb
    essen
    5. Februar 2024

    wunderbar zusammengefasst – aber damit hört das Wunderbare auch schon auf, es ist so dermaßen frustrierend das Elend aus dem BMG immer wieder vor Augen geführt zu bekommen. Hat der BMG-Obermann überhaupt keine Beratung an seiner Seite oder ist er so von sich überzeugt, dass er glaubt, selbst bei so “kleinen Fischchen” wie d. GBE, alles überblicken und wissen zu können? Ratlos

    • #2 Joseph Kuhn
      5. Februar 2024

      @ smoeb:

      Falls er die Datenlage schlecht redet, um den Übergang des Gesundheitsmonitorings vom RKI ins BIPAM in besserem Licht erscheinen zu lassen, wäre das erstens unfair den RKI-Kolleg:innen gegenüber, zweitens nicht das, was er aus der vielstimmigen Kritik am Wechsel des Gesundheitsmonitorings ins BIPAM und der damit verbundenenen Trennung zwischen Infektionsepidemiologie und NCD-Surveillance eigentlich aufnehmen sollte.

      Teile die Ratlosigkeit.

  2. #3 ums
    5. Februar 2024

    Ihr Lieben, wenn ich beim nächsten Kongress schlohweisse Haare oder gar keine mehr habe, dann liegt es sicher an dem Minister, der unserem Fach Public Heatlh voll abtrünnig geworden ist. … oder war er nie ein Public Healther?

  3. #4 BMK
    Berlon
    5. Februar 2024

    Es gab zum Wochenende eine recht gute Analyse in der Berliner Zeitung mit viel Insiderwissen:
    https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/corona-karl-lauterbach-zerschlaegt-rki-li.2179598. Lauterbach kennt wohl das Gesundheitsmonitoring und hat auch Berater, die das Gesamtkonzept kennen. Allerdings benötigt er bei Gründung des BIPIM Erfolgsmeldungen, die belegen, wie wichtig und sinnvoll diese Neugründung ist. Und da baut er wohl auf das kurze Gedächtnis der Allgemeinheit. Wenn er also mit neuen Gesundheitsdaten, die Neugründung begleiten kann, dann ist es doch günstig so zu tun, als wäre vorher alles “Wüste” gewesen. Und das könnte er noch vor der nächsten Wahl schaffen.

    • #5 Joseph Kuhn
      5. Februar 2024

      @ BMK:

      “Lauterbach kennt wohl das Gesundheitsmonitoring”

      Vermutlich hat er auch alle Studien dazu gelesen.

      “hat auch Berater, die das Gesamtkonzept kennen”

      Hört er auf die? Kommt einer aus Harvard?

      “so zu tun, als wäre vorher alles “Wüste” gewesen”

      Wenn man wenigstens wüsste, ob er nur so tut, oder ob er es am Ende nicht doch glaubt.

      “vor der nächsten Wahl”

      Das wird sicher interessant. Vor allem auch, was er ins Gesetz noch reinkriegt. Wie weit ist er wohl mit den Ländern, wie weit mit Lindner beim Haushalt 2025?

  4. #6 ajki
    6. Februar 2024

    Wenn Herr Lauterbach sich “als Minister” äußert, also als so etwas wie die “Stimme des Ministeriums”, anstatt etwa als Einzelner (auf X oder sonstwo), als allgemeiner Politiker, als Parteipolitiker oder als “Gesundheits”politiker, dann müsste man doch so etwas wie eine “offizielle” Ministeriumsposition erfragen oder erkennen können.

    Kann man das?

  5. #7 Joseph Kuhn
    7. Februar 2024

    Daten und die “Quick Wins” für das BIPAM

    Auf dem BMC-Kongress Ende Januar hat der Errichtungsbeauftragte für das BIPAM, Johannes Nießen, “Quick Wins”, also schnelle Erfolge, für das BIPAM genannt. Neben einer Toolbox für Kommunen zu Hitzeschutzplänen und neuen Strategien gegen das Rauchen nannte er die Kinder- und Jugendgesundheit.

    Auf der Plattform “Gerechte Gesundheit” wird er dazu mit dem Satz zitiert, “Ausgangspunkt der Arbeit des neuen Instituts sei die Datenanalyse, um evidenzbasierte Maßnahmen empfehlen zu können.”

    Für kommunale Hitzeschutzpläne und den Nichtraucherschutz braucht man nicht unbedingt noch mehr Daten. Da braucht man eher Taten, und beim Nichtraucherschutz übrigens weit mehr als das von Nießen genannte “Bündnis mit der Ärzteschaft”. Bei der Kindergesundheit wären aktuelle Daten schon nützlicher. Die letzte KIGGS-Welle des RKI liegt einige Jahre zurück. Aber woher werden nun Daten für die Kindergesundheit kommen? Kommt noch eine Studie “Kindergesundheit in Deutschland”? Und darauf aufbauend ein finanzstarkes ressortübergreifendes Reformprogramm, das dafür sorgt, dass es Familien besser geht, für alle Kinder Kita- und Hort-Plätze verfügbar sind, Schulen und Wohnviertel kinderfreundlicher und die Kinderkliniken sorgenfrei werden?

    Wie bisher wallen Nebel um das BIPAM. Ein Kabinettsentwurf des Errichtungsgesetzes für das BIPAM wäre ein Quick Win für die weitere Diskussion. Über einen kürzeren Namen für das Institut würde auch nachgedacht, so Nießen. Hoffentlich taucht da nicht das Lauterbachsche “Bundesinstitut für Vorbeugemedizin” als Quick Name auf.

  6. #8 Richard
    7. Februar 2024

    Ich bin schon seit längerer Zeit davon überzeugt, dass Karl Lauterbach unbeirrt von internen und externen Beratern (geschlechtsneutral,gn..) seine Schlussfolgerungen aus dem nächtlichen Literaturstudium umsetzen will und sich dabei immer mehr “verzettelt”. Die SZ, die zwar gerade selbst genug Ärger hat, titelt aktuell so: “Suizidprävention: Neuer Ärger für Lauterbach”
    https://www.sueddeutsche.de/politik/suizidpraevention-lauterbach-ampel-1.6344964

    • #9 Joseph Kuhn
      7. Februar 2024

      @ Richard:

      Ein Suizidpräventionsprogramm und – Stichwort Daten – ein Konzept für die vom Bundestag ebenfalls beauftragte Suizid-Surveillance wäre Quick Need. Es hätte ein echter Quick Win sein können. Aber vielleicht sind BIPAM und Suizidprävention im BMG entfernte Baustellen und die Bahn fährt gerade nicht?

      Und ob Kontakt zur Baustelle GVSG besteht? Da gäbe es ja auch potentielle Quick Wins für das BIPAM.

  7. #10 Staphylococcus rex
    7. Februar 2024

    Das hat zwar nur wenig mit dem BIPAM zu tun, aber ich verstehe einfach nicht mehr, was Herrn Lauterbach antreibt. Es gibt zahlreiche Großbaustellen, (GOÄ-Reform, Entbudgetierung, Krankehausreform, Harmonisierung der bisherigen Digitalisierungsprojekte, Versorgungssicherung im ländlichen Raum), bei denen er nicht oder bestenfalls Stückwerk liefert. Statt dessen investiert er seine Kraft in persönliche “Spaßprojekte”. Ich zweifle im Augenblick an seinem Realitätsbezug und habe mich darauf eingestellt, ihn bis zur nächsten Wahl irgendwie aushalten zu müssen.

    Der Job des Gesundheitsministers ist derzeit sicher nicht der angenehmste angesichts der Probleme und politischen Minenfelder. Wer den Job ernst nimmt, würde eine Reihe unpopulärer Reformen starten und sich damit abfinden, dass die Früchte dieser Reformen in 5-10 Jahren von den Nachfolgern geerntet werden.

    Bei der Krankenhausreform hat derzeit niemand den Mut zu sagen, wohin die Reise geht. Früher konnte ein Grundversorger mit etwa 100 Betten über die Runden kommen, mittlerweile sind die Anforderungen z.B. bei Herzinfarkt- und Schlaganfallversorgung derartig gestiegen, dass die Vorhaltekosten z.B. in Diagnostik- und Funktionsbereiche erst ab einer Größe von über 300 Betten wirtschaftlich tragen. Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass zukünftig deutlich mehr Leistungen ambulant erbracht werden (Schlagwort ambulante Operationen), dann kann man sich ausrechnen, wie viele der kleinen Häuser (unter 300 Betten) geschlossen werden müßten. Eine geplante Strukturbereinigung im Krankenhaussektor ist politisch derzeit nicht umsetzbar, deshalb läuft derzeit eine “kalte” Strukturbereinigung mit der Konsequenz, dass im ländlichen Raum auch für die Versorgung notwendige Krankenhäuser dieser “kalten” Strukturbereinigung zum Opfer fallen. Wenn ich es aus der Ferne sehe, ist Dänemark in dieser Hinsicht deutlich weiter.

    • #11 Joseph Kuhn
      7. Februar 2024

      @ Staphylococcus rex:

      “Statt dessen investiert er seine Kraft in persönliche “Spaßprojekte””

      Naja, beim BIPAM geht es nicht um ein “persönliches Spaßprojekt”, sondern um einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Da sollte man ihm nicht Unrecht tun. Was ich nicht verstehe ist, dass das BMG so hartnäckig und dauerhaft die Flut an Stellungnahmen zum BIPAM ignoriert. Die Verbände haben sich damit viel Arbeit gemacht, viele interne Abstimmungsrunden absolviert, aber es perlt anscheinend alles am BMG ab und es gibt bisher auch keinen strukturierten Konsultationsprozess, weder mit den Verbänden noch mit den Ländern.

  8. #12 uwe hauptschueler
    7. Februar 2024

    Dänemark

    Current health expenditure
    10.5% of GDP (2020)

    Physicians density
    4.23 physicians/1,000 population (2018)

    Hospital bed density
    2.6 beds/1,000 population (2019)

    Deutschland

    Current health expenditure

    12.8% of GDP (2020)

    Physicians density

    4.44 physicians/1,000 population (2020)

    Hospital bed density

    8 beds/1,000 population (2017)

    Q.:+https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/germany/
    @#10 Staphylococcus rex
    Die Dänen haben weniger Ärzte, weniger Krankenhausbetten und geringere Gesundheitskosten. Dänische Verhältnisse scheinen nicht verkehrt zu sein.

  9. #13 Staphylococcus rex
    7. Februar 2024

    @JK, in der gesamten Geschichte zum BIPAM gibt es einige Details, die für mich nicht ganz zusammenpassen.

    Der Koalitionsvertrag ist von 2021:
    https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800
    “Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit auf, in dem die Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind. Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.”

    Der vorherige RKI-Chef Wieler musste Anfang 2023 gehen:
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wieler-rki-bilanz-101.html

    Seit Oktober 2023 wird das Projekt BIPAM vorangetrieben, dabei scheint es inhaltliche Unterschiede zwischen Koalitionsvertrag und dem neuen BIPAM-Konzept zu geben:
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/235096/Bundesinstitut-fuer-Praevention-und-Aufklaerung-in-der-Medizin-Deutschlands-Sonderweg

    Auch wenn das BIPAM im Koalitionsvertrag steht, wäre es interessant zu wissen, wer es dort hineingebracht hat, die Vermutung, dass sich Lauterbach damit sich selbst den Auftrag erteilt hat, ist aus meiner Sicht nicht komplett abwegig.

    Dann bleibt aber die Frage, warum Lauterbach erst seit kurzer Zeit das Projekt vorantreibt, warum es vom ursprünglichen Konzept abweicht und welche Rolle das Verhältnis zwischen Wieler und Lauterbach beim abgewandelten Konzept spielt. Wie gesagt, das Alles ist für mich noch keine schlüssige Geschichte und da ist sicher noch einiges an Detektivarbeit notwendig. Der Satz aus dem Koalitionsvertrag zur wissenschaftlichen Arbeit des RKI (nur noch weisungsgebunden) ist mir völlig unverständlich.

    • #14 Joseph Kuhn
      8. Februar 2024

      @ Staphylococcus rex

      “dabei scheint es inhaltliche Unterschiede zwischen Koalitionsvertrag und dem neuen BIPAM-Konzept zu geben”

      Der Koalitionsvertrag gibt inhaltlich zum BIPAM nicht viel vor. Sie haben den kurzen Passus ja noch einmal zitiert. Siehe dazu: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2022/02/18/das-bundesinstitut-fuer-oeffentliche-gesundheit/

      “Vermutung, dass sich Lauterbach damit sich selbst den Auftrag erteilt hat”

      Man sollte jetzt nicht auch noch Verschwörungstheorien in die Welt setzen. Siehe zum Bundesinstitut die Vorgeschichte: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2022/02/18/das-bundesinstitut-fuer-oeffentliche-gesundheit/#comment-119005. Der Auftrag im Koalitionsvertrag bilanziert gewissermaßen aus dem Bauch heraus die Wahrnehmung von Defiziten des Umgangs mit Corona.

      “welche Rolle das Verhältnis zwischen Wieler und Lauterbach (…) spielt”

      Zunächst vermutlich keine gute, heute vermutlich keine mehr.

      “einiges an Detektivarbeit notwendig”

      Eigentlich nicht. Nötig wäre ein gutes Konzept.

      “Der Satz aus dem Koalitionsvertrag zur wissenschaftlichen Arbeit des RKI (nur noch weisungsgebunden) ist mir völlig unverständlich.”

      Kein Wunder, dort steht genau das Gegenteil: “Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.” Das ist abgrenzend zum Auftrag des neuen Bundesinstituts als politischer Kommunikationsagentur formuliert.

  10. #15 Staphylococcus rex
    8. Februar 2024

    @JK, das mit dem weisungsUNgebunden war ganz klar mein Lesefehler, irgendwie passte die Silbe nicht mehr durch die Brille. Das BIPAM ist nicht wirklich mein Kernthema. Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ist reichlich allgemein gehalten und läßt Raum für verschiedene Varianten.

    In meiner Wahrnehmung ist Lauterbach kein Sympathieträger, aber er ist intelligent und gut vernetzt. Warum er beim BIPAM auf diesem Egotrip ist (Egotrip ist sicher passender als Bezeichnung als Spaßprojekt) bleibt mir trotzdem unklar. Die Fachgesellschaften haben sich hier engagiert, sind aber politische Leichtgewichte. Politisch mehr Gewicht hätte der Präsident der Bundesärztekammer, hier kann ich nur raten und nachdem beim Thema GOÄ-Reform und Entbudgetierung der niedergelassenen Ärzte vorsichtige Signale der Entspannung seitens Lauterbachs kamen könnte das Schweigen der Bundesärztekammer darin begründet liegen, diese kleinen Fortschritte nicht durch eine zusätzliche Konfrontation zu gefährden.

    Persönlich liegt mir das Thema Krankenhausreform wesentlich näher. Die Grundidee ist aus meiner Sicht vernünftig, das Konzept der Leistungsgruppen macht Sinn:
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/krankenhausreform/faq-krankenhausreform
    Die Konsequenz der Strukturvorgaben ist aber, dass die notwendigen Personalvorgaben und Diagnostik- und Funktionsbereiche in einem kleinen Haus wirtschaftlich nicht abgebildet werden können. Bei aktuellen Stand der Technik sollte ein Krankenhaus selbst als Grundversorger mindestens ca. 300 Betten haben, um wirtschaftlich zu arbeiten. In Deutschland gibt es sehr viele Häuser unter 300 Betten, diese müssen entweder schließen, sich in Level1i-Häuser umstrukturieren, wachsen oder die Strukturvorgaben durch Kooperation mit größeren Häusern in der Nachbarschaft absichern. Dieser Transformationsprozeß benötigt ein Planungskonzept seitens der Bundesländer und ein Finanzierungskonzept, beides fehlt bisher. Es gibt zwei zwingende Gründe, diesen Transformationsprozeß jetzt durchzuziehen, einerseits die Kostenexplosion bei den Gesundheitskosten, andererseits der zukünftige Personalmangel durch den Generationswechsel in den nächsten 5-10 Jahren. Die Krankenhausreform ist derzeit als Konzept unvollständig, hier ist Lauterbach als Minister in der Pflicht.

  11. #16 RGS
    8. Februar 2024

    In den Kommunen müssen die Gesundheitsämter bis ins Frühjahr ihren Haushalt 25 oder einen Doppelhaushalt 25-26 aufstellen. Häufig gibt es Sparvorgaben je nach Vorgaben der Kämmerer.
    Hier sieht es so aus, dass gerade im Bereich der erst mit dem Pakt für den ÖGD geschaffenen Stellen gleich wieder Stellenstreichungen drohen. Befristete Stellen können nicht verlängert werden. Manche Kommunen mit Geld haben unbefristete geschaffen, überlegen aber wo nach 26 das Geld dafür herkommen soll.
    Und für die aus dem Pakt noch zu schaffenden Stellen in den nächsten zwei Jahren, stellt sich die Frage was daraus noch entstehen soll, wenn 26 die Mittel aus dem Pakt aufgebraucht sind?

    Hier droht in vielen Fällen dass die mühsam erkämpften und aufgebauten Stellen und Strukturen wieder verschwinden. Die bekannte Projektitis.

  12. #17 Beobachter
    8. Februar 2024

    Karl Lauterbach und die Ethik-Kommissionen –
    oder die eine Ethik-Kommission ? :

    https://www.tagesspiegel.de/wissen/angriff-auf-die-unabhangigkeit-lauterbach-plant-zentrale-ethik-kommission-fur-arzneitests-11178403.html

    “Angriff auf die Unabhängigkeit?: Lauterbach plant zentrale Ethik-Kommission für Arzneitests
    Der Gesundheitsminister will den 33 Ethik-Kommissionen ein zentrales Gremium vor die Nase setzen. So sollen Medikamente schneller getestet werden. Experten sorgen sich.
    … “

    • #18 Joseph Kuhn
      8. Februar 2024

      @ Beobachter:

      Karl Lauterbach sorgt sich derzeit auf allen* Ebenen um die Pharmaindustrie. Auch bei der Datennutzung ist das, wie gesagt, eines seiner zentralen Motive.

      —————–
      * fast allen: die Homöopathiekonzerne bedient er gerade nicht.

  13. #19 Joseph Kuhn
    8. Februar 2024

    Hartmut Reiners über Lauterbachs Projekte:

    “Ein weiteres Beispiel für den substanzlosen Aktionismus von Karl Lauterbach ist das Projekt eines Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin, in das das Robert-Koch-Institut (RKI) aufgehen soll. Er setzt Prävention mit medizinischer Prophylaxe gleich, was von Public Health-Fachleuten einhellig abgelehnt wird. Jetzt behauptet er, es gäbe keine repräsentativen Daten zum Gesundheitszustand der Bevölkerung. Das ist Quatsch. Das RKI hat solide Informationen parat. Lauterbach will es demontieren, ohne dafür irgendeinen sachlichen Grund angeben zu können.”

    https://makroskop.eu/04-2024/der-viel-versprechende/