In den Taschen des Mordopfers Ricky McCormick fand die Polizei zwei verschlüsselte Nachrichten. Diese sind bis heute ungelöst.
Am 30. Juni 1999 wurde auf einem Getreidefeld in der Nähe von St. Louis (US-Bundesstaat Missouri) die Leiche des 41-jährigen Ricky McCormick gefunden. Die Polizei ging von einem Mord aus. Der Tote trug zwei Zettel mit verschlüsselten Notizen in seiner Tasche. Das FBI schaltete daraufhin seine Kryptologie-Abteilung ein, die Cryptanalysis and Racketeering Records Unit (CRRU). Doch diese konnte die Kryptogramme nicht lösen. Dies ist ungewöhnlich, denn die Dechiffrier-Experten des FBI haben eine Erfolgsquote von etwa 99 Prozent. Auch eine Zusammenarbeit mit der American Cryptogram Association brachte die Ermittler nicht weiter. Am 30. März 2011 ging das FBI schließlich an die Öffentlichkeit. Viele haben sich seitdem an den beiden Kryptogrammen versucht, doch bisher konnte sie niemand dechiffrieren. Wer den Code knackt, löst nicht nur eines der 25 bedeutendsten Kryptogramme der Welt, sondern könnte auch zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen.
Ricky McCormick war kein Musterknabe. Wegen einer Vergewaltigung verbrachte er elf Monate hinter Gittern. Als er starb, war er krank und arbeitslos. Am 25. Juni 1999 wurde McCormick zum letzten Mal von Zeugen gesehen. Fünf Tage später fand man seine Leiche. Ob der Fundort auch der Tatort war, verriet die Polizei nicht. McCormick besaß kein Auto, und es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, um in der Nähe der Fundstelle zu kommen. Die Leiche war nach Angaben der Polizei innerhalb der wenigen Tage so stark verwest, dass die Mediziner die Todesursache nicht mehr feststellen konnten. Bei der Untersuchung der Leiche fand man die beiden verschlüsselten Nachrichten.
Warum das FBI mit der Veröffentlichung der Kryptogramme zwölf Jahre wartete, ist mir nicht bekannt. Angeblich wurden die verschlüsselten Texte von McCormick selbst verfasst, und zwar maximal drei Tage vor seinem Tod. Hier ist eine Transkription der ersten Notiz:
(P1)
(MNDMUNEMRSE-N-STA-UNARE) (AESM)
FRNENP?NSENPBSERCBBNSENPRSEINC
PRSE NMRSE OPREHLDULDNCBE(TFXLC TCXL NCBE)
AL-PRPPIT XLYPPIY NCBE MEKSEINCDRCBRNSEPRSE
WLD RCCBRNSE NT SSNENTXSE-CRSLE-CLTRSE WLD NCBE
ALWCP NCBETSMELRSERLSEURGLSNEASNWLDNCBE
(NOPFSE NLSRE NCBE) NTEGDDMNSENCURERCBRNE
(TENE TFRNE NCBRTSENCBE INC)
(FLRSE PQSE ONDE 71 NCBE)
(CDNSE PQSE ONSDE 74 NCBE)
(PRTSE PRSE ONREDE 75 NCBE)
(TF NBCMSPSOLEMRDELUSE TOTE WLDN WLDNCBE)
(194 WLD’S NCBE)(TRFXL)
Und hier die zweite:
ALPNTE GLSE – SE RTE
VLSE MTSE-CTSE-WSE-FRTSE
PURTRSEONDRSEWLD NCBE
NWLDLRCMSP NEWLD STS MEXL
DULMT 6 TUNSE NCBEXE
(MUNSAISTEN MU NARSE)
KLSE-LRSTE-TRSE-TRSE-MKSEN-MRSE
(SAESNSE SE N MRSE)
NMNRCBRNSEPTE2PTEWSRCBKNSE
26 MLSE 74 SPRKSE 29KCNOB,OLE 175 RTRSE
35 GLE CLGSE UUNUTKEBKRSE PSESHLE
651 MTCSE HTLSE NCUTC TRQ NMRE
99.84.52 UNEPLSEUCRSEAOLTSENSKSENRSE
NSREONSE PUTSEWLD NCBE (3 XORL)
DNMSE NRSE 1N2 NTRLERC BANSENTSECRSNE
LSPNSENGSPSEMKSERBSGNCBENUXLR
MH CRE NMRE NCBE 1/2 MUNDDLSE
D-W-M-4 MPL XDRLX
Kein gängiges Verschlüsselungsverfahren passt zu den statistischen Eigenschaften der Kryptogramme. Möglicherweise hat sich McCormick selbst ein Verfahren zusammengebastelt.
Angesichts der recht dürftigen Informationen, die im Fall McCormick vorliegen, kann man davon ausgehen, dass die Polizei viele wichtige Informationen unter Verschluss hält. Beispielsweise ist es recht unwahrscheinlich, dass man vier Tage nach dem Tod eines Menschen die Todesursache nicht mehr feststellen kann.
Im Juni 2012 veröffentlichte der Journalist Christopher Tritto einen Artikel, in dem er einige neue Informationen über den McCormick-Fall präsentierte. Laut Tritto hatte McCormick vor seinem Tod mindestens zwei Busreisen ins 1.600 Kilometer entfernte Orlando (Florida) unternommen – vermutlich als Drogenkurier. Nach seiner letzten Orlando-Reise soll McCormick besonders verängstigt gewirkt haben. Er suchte mehrere Krankenhäuser auf und wollte jeweils stationär aufgenommen werden – vielleicht, weil er dort Schutz suchte. Am Nachmittag des 25. Juni 1999 verließ er eine Klinik, die ihn behandelt aber nicht über Nacht aufgenommen hatte. Es war das letzte Lebenszeichen, bevor man fünf Tage später seine Leiche fand.
Zu den beiden Kryptogrammen konnte Tritto nichts Neues herausfinden. Eines der größten Rätsel der Kryptologie-Geschichte bleibt also ungelöst.
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Zum Weiterlesen: Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen – Platz 1 bis 25 im Schnelldurchlauf
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