Verschlüsselte Postkarten entpuppen sich meist als Liebesgrüße. Die vier schlichten Karten mit verschlüsseltem Inhalt, die ich heute vorstelle, sehen jedoch für diesen Zweck zu unromantisch aus. Kann sie jemand lösen?

Verschlüsselte Postkarten sind nichts Ungewöhnliches. Auf Klausis Krypto Kolumne habe ich schon viele vorgestellt (siehe etwa hier und hier), und meine Leser haben nahezu alle geknackt.

 

Kein Gruß an die Geliebte?

Die meisten verschlüsselten Postkarten, die ich kenne, wurden von einem Mann an eine (heimliche?) Geliebte geschrieben. Heute kann ich eine Ausnahme präsentieren. Es handelt sich um vier verschlüsselte Karten, die um die vorletzte Jahrhundertwende an einen Herrn Bühl addressiert wurden – der Empfänger war also ein Mann. Vielen Dank an Tobias Schrödel, der mir die Karten zur Verfügung gestellt hat, und an Kent Ramliden, der mich schon zuvor darauf hingewiesen hat.

Der besagte Herr Bühl wohnte anscheinend zunächst in Herford (Ostwestfalen) und zog dann ins nahe gelegene Minden um. Alle vier Karten wurden in Köln abgestempelt, das man damals anscheinend noch “Cöln” schrieb. Über den verschlüsselten Nachrichten ist jeweils die Stadt des Absenders zu lessen, wobei dieser zweimal “Köln” (mit “K”) und zweimal “Cologne” schreibt.

Hier ist die erste Karte (abgestempel am 14. Juli 1898):

Postcard-1898-1407-Koeln-Herford-add

Postcard-1898-1407-Koeln-Herford-text

Dies ist die zweite Karte (12. November 1898):

Postcard-1898-1111-Koeln-Herford-add

Postcard-1898-1111-Koeln-Herford-text

Hier ist die dritte Karte (28. September 1899):

Postcard-1899-2809-Koeln-Herford-add

Postcard-1899-2809-Koeln-Herford-text

Die vierte Karte wurde am 31. Januar 1901 abgestempelt:

Postcard-1901-3101-Koeln-Herford-add

Postcard-1901-3101-Koeln-Herford-text

Wer knackt den Code?

Diese vier Karten bieten eine vergleichsweise große Menge an Analysematerial. Schafft es jemand, die Verschlüsselung zu knacken?

Im Vergleich zu anderen verschlüsselten Postkarten wirken diese vier recht schlicht und unglamourös. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich hier nicht um die üblichen Liebesgrüße handelt. Umso mehr würde es mich interessieren, was darin steht.

Zum Weiterlesen: Wer knackt diese verschlüsselte Postkarte aus dem frühen 20. Jahrhundert

Kommentare (10)

  1. #1 Dario
    25. Januar 2016

    Es ist eine einfache Buchstabenersetzung. Jetzt habe ich die Zeit nicht, das Ganze zu lesen, aber hier sind die letzten Sätze von der ersten Karte:
    BIS SONNTAG KÜST DICH TAUSENDMAL DEIN KLEINES FRÄUCHEN. IM AUGUST KEKOMM ICH VIER WOCHEN FERIEN.
    und von der zweiten:
    BITTE, BITTE SCHREIBE RECHT BALD DEINER EINSAMEN FRAU DIE DICH SEHR SEHR LIEB HAT & IMMER IN GEDANKEN BEI DIR IST
    und von der dritten:
    BITTE LIEBER SCHATZ, SCHREIBE MIR RECHT BALD. WIE IST ES MIT DEN BEIDEN GEWORDEN, HAT SICH WAMGES (??) BESEIDIGT GEFÜHLT ODER DARFE MÄNNI DAS NICHT THUEN?
    und von der vierten:
    ICH DANKE DIR SEHR FÜR DEINE BEIDEN LIEBEN LIEBEN BRIEFE, ES KÜSST DICH IMMER DEIN FRÄUCHEN
    Es gibt manche Probleme, und es ist sehr leicht, manche Buchstaben miteinander vertauschen, aber im allgemeinen sind die Karten leicht lesbar.

    • #2 Klaus Schmeh
      25. Januar 2016

      Vielen Dank! Es handelt sich also doch um einen Liebesbrief. Ausnahmsweise ist er von einer Frau an einen Mann gerichtet, statt umgekehrt.

  2. #3 Norbert
    25. Januar 2016

    Hier wäre mal die erste Karte komplett:

    Köln, 13.7.1898
    Herzlieber süßer Nu[c]kelschatz! Vielen, vielen Dank
    sage ich dir für deinen lieben Brief, doch kann ich ihn
    dir heute nicht beantworten, auch diese Woche leider
    nicht – doch Sonntag will ich dich dafür um so besser
    entschädigen – dann habe ich recht viel Zeit & will ich dir
    soviel erzählen, wie ich nur weiß. Hoffentlich geht
    es Dir gut, mein süßer Männe, ich fühle mich so ein-
    sam hi[e]r in dem großen Köln – doch ist es recht
    interessant, ich will dir aber sagen, eine Schlechtig-
    keit herrscht hier, – Du ahnst es nicht. –
    Hast du noch immer mein Büchelchen nicht bekom[m]en?
    Bitte sei so gut & schreibe noch eine Postkarte dorthin
    sonst bekomme ich Unannehmlichkeiten, wegen des
    Anmeldens – schreibe ihnen, du würdest andere Wege
    einschlagen, wenn sie es nicht sofort schi[c]kten –
    sollten sie Geld von Dir verlangen – so laß Dich auf
    keinerlei Sachen ein, das giebt es nicht.
    Meine Sachen sind auch noch nicht angekommen
    es ist mir sehr unangenehm. Für heute leb wohl
    mein süßer Schatz, ich möchte noch recht lange
    mit Dir plaudern, doch die Pflicht ruft.
    Bis Sonntag küßt Dich tausendmal
    Dein kleines Fräuchen.
    Im August bekomme ich vier Wochen
    Ferien.

  3. #4 Dario
    25. Januar 2016

    Sehr gut! Ich habe nur eine Bemerkung: auf der 7. Linie nennt das kleine Fräuchen ihren herzlieben Nuckelschatz „mein süßes Männi“ und nicht „mein süßer Männe” („s“ und „ß“ unterscheidet sie nicht).
    Lokal gefärbte Verliebtensprache…

  4. #5 Norbert
    25. Januar 2016

    Die zweite Karte:

    Cologne 11.11.1898
    Mein herzlieber guter Männ, guten Tag mein
    gutes Lieb, wie geht es Dir? Fräuchen fühlt sich so
    einsam & sehnt sich so sehr nach Dir! – O, jeh –
    Ich hab Dich ja so lieb & weiß garnicht, was ich so allein
    anfangen soll. Es ist auch zu dumm, daß wir so
    entsetzlich weit von einander getrennt sind,
    nicht wahr Männi? – Sag mal Schatz, ich
    hatte ganz vergessen, mich bei Dir für das allerliebste
    Kärtchen zu bedanken, was Du für Tine angefertigt,
    bitte Lieb, sei nicht böse, es war mir ganz durch
    den Kopf gegangen, empfange also vielen herzlichen
    Dank dafür – Tine hat sich riesig damit gefreut.
    Bitte schreibst Du mir denn auch bald wieder?
    Bitte, bitte! Ich fand es reizend von Dir, wie Du
    mir in Deinen Briefen alles so lieb erzählt, auch
    das Geschäftliche. Ich nehme an allem was
    Dich betrifft innigen Antheil & habe auch für
    alles Interesse. Mußt mir auch immer alles
    so lieb erzählen, ja thust Du das? Bitte!
    Ich freue mich riesig darüber.
    Bitte, bitte schreibe recht bald
    Deiner einsamen Frau
    die Dich sehr lieb hat & immer
    in Gedanken bei Dir ist

    (linke untere Ecke:)
    Viele viele
    innige Grüße
    & Küsse.

  5. #6 Norbert
    25. Januar 2016

    Die dritte Karte (ein paar Stellen sind nicht ganz klar):

    Köln 27.9.1899
    Einzig’ geliebter, süßer Männischatz! Guten Tag, lieber Män-
    ni, wie geht es Dir? Regnet es bei Euch auch so, wie bei uns? –
    Hier ist alles aufgeweicht, solange wir von der Reise zurü[c]k-
    sind, giesst es in Strömen. Ich bekam soeben eine aller-
    liebste Vergissmeinnichtkarte von Hanna & schrieb
    sie mir dasselbe von Herford. Lieber Schatz, ist es nicht
    doch besser, wenn Du Dich mit einem Regenschirm versiehst?
    Du kannst ja einen billigen kaufen, daß Du Dich nass
    regnen läßt, geht doch nicht. – Ganz in unserer Nähe
    ist heute ein Abbruchbau eingestürzt, wobei 8 Per-
    sonen verschüttet wurden. Ist das nicht fürchterlich?
    Mein Herzblatt, möchtest Du wohl so gut sein, & mir
    Deinen Geburtstagswunschzettel im nächsten Briefe
    mit einlegen, aber bitte nicht vergessen, das ist mir
    nämlich sehr wichtig! Überlege bitte gut & schreibe al-
    les, was Du nur weißt. Du hast mir ja einige Theile
    aufgezählt, aber das vergisst sich so leicht. – Wie bist
    Du denn mit Deinem Taschengeld ausgekommen lie-
    ber Männi? Hast Du das von Eurem Lehrling wie-
    der? – Bald haben wir ja den I. nah (?), ich freue
    mich auch! – Denkst Du auch daran, daß Du ein ernstes
    Wort wegen Deiner Pension einlegst? – Alles was
    recht ist & jedem das Seine! – Wo die Leute so
    schmutzig gehandelt, sehe ich wirklich nicht ein,
    daß man sie in ihrer Faulheit noch unterstützt.
    Wer weiß schließlich, wer Deinen Schirm hat, –
    wer so ist, ist auch so! – Bitte lieber Schatz, schrei-
    be mir recht bald. Wie ist es mit den Bildern ge-
    worden, hat sich Wamzel (? vielleicht: Mamsell?) beliedigt (beleidigt) gefühlt, oder durf[t]e
    Männi das nicht thuen? –

    (linker Rand:)
    Es küßt Dich tausendmal Dein Dich sehr liebendes Fräuchen, was Dich furchtbar lie[b] hat.

    (oben, auf dem Kopf:)
    Gute Nacht, mein Männchen.

  6. #7 Norbert
    25. Januar 2016

    Verstehe ich es richtig: Die “Pension” ist Männis Logis, dort ist ihm der Regenschirm abhanden gekommen, die faulen Vermieter haben sich gar nicht um dieses Problem gekümmert (vielleicht haben sie ja selber den Schirm geklaut, vermutet die Schreiberin), und außerdem hat Männi (vielleicht) das Bilderaufhängverbot der Hausherrin mißachtet?

  7. #8 Klaus Schmeh
    25. Januar 2016

    @Norbert: Vielen Dank für das Entschlüsseln. Durchaus interessant, was “Fräuchen” da schreibt.

  8. #9 Norbert
    26. Januar 2016

    Hier Nummer vier:

    Cologne 30.1.1901
    Du herzigsüßer Nu[c]kelschatz Du!
    Tausend, tausendmal danke ich Dir von ganzem Herzen, daß Du
    gutes Herzlieb mich nun doch besuchen willst. Nach Deinem ersten
    Briefe habe ich mich schon halb tot gefreut & wenn Du nun
    keinen Urlaub bekämst, das wäre einfach entsetzlich. Wenn wir
    uns vorher gesehen & gesprochen haben, mit wieviel leich-
    terem Herzen ginge ich nach Siegen. Es ist eine entsetzlich
    kurze Zeit, aber ich weiß es leider nicht anders einzurichten.
    Eher kann ich unmöglich fort, wie ½3, vielleicht wird es
    noch später, jedenfalls muß ich den Zug 3, (hochgestellte 7, also 3:07?) Uhr unbedingt
    benutzen können, ich habe das schon nach S. geschrieben & sonst
    käme ich erst nach 9 da an & das macht einen ungünstigen
    Eindru[c]k! – Ich kann es nun wirklich nicht fassen daß ich die Drusus-
    gasse verlasse & wenn ich an S. denke, dann überläuft mir [sic] stets
    ein kalter Schauer, als wenn ich im Begriff stände in ein eisig
    kaltes Bad zu steigen. Morgen früh gehen meine Körbe
    ab & für die nötigen Utensielien [sic] für die ersten paar Tage
    habe ich mir ein niedliches schwarzes Köfferchen gekauft
    zu 4,50 (verm. Mark-Symbol) bei Tietz! – Ich glaube, wenn Du mir Donnerstag
    Abend eine Karte sendest, mit dem bestimmten Bescheid, daß
    ich sie Freitag Morgen erhalte, ist früh genug – ich hoffe doch, daß
    Du kommst. Solltest Du nach 12 Uhr mittags eintreffen, dann
    komme bitte nur gleich zu mir, auch wenn wir uns nur für
    5 Minuten sehen, Du wirst mich denn im Arbeitskleide an-
    treffen, mein herzlieber Männi nimmt es mir ja nicht
    übel, nicht wahr? – Vielleicht kannst Du Dir hier auch noch
    etwas besorgen, – Kakao & Wurst! – Seife hatte Fräuchen
    für Männi, auch Putzlappen – Männi darf aber nichts
    von Fräuchens Höschen sprechen, hatte hört habt. (?) –
    Leb wohl, süßes Herzblatt, ich hoffe daß wir uns bald wiedersehen.
    Noch 2x schlafen. Ich danke Dir sehr für Deine beiden
    lieben, lieben Briefe. Es küsst Dich innig Dein Fräuchen

    Aus “hatte hört habt” werde ich nicht klug, vielleicht habe ich das falsch dechiffriert?
    “Tietz” war das Warenhaus von Leonhard Tietz auf dem Aachener Markt (Leonhard Tietz war ein Neffe von Hermann Tietz, dem Namensgeber von Hertie).
    Kurrentschrift im Text habe ich fett geschrieben. Ziffern wurden nicht chiffriert.

    • #10 Klaus Schmeh
      26. Januar 2016

      Super, vielen Dank! Damit wäre auch dieses Rätsel gelöst.