Ist das die kryptologische Neuentdeckung des Jahres? Der Musiker Josef Fröwis (1866-1934) verschickte und empfing insgesamt 44 verschlüsselte Postkarten – eine schöner als die andere.

Verschlüsselte Postkarten sind ein Dauerbrenner auf Klausis Krypto Kolumne. Es gibt sehr viele davon – geschrieben meist von jungen Männern an ihre Angebetete. Gibt es einen schöneren Liebesbeweis?

Die bisher größte mir bekannte Sammlung verschlüsselter Postkarten, die von derselben Person verschickt wurden, stellte ich vor zwei Jahren auf Klausis Krypto Kolumne vor. Es handelt sich um 35 verschlüsselte Liebesgrüße des Musikers Albert Pohrt an seine Braut Lieschen.

Dieser Rekord wurde nun überboten: Das Bregenzerwald Archiv hat mir dankenswerterweise eine Sammlung von nicht weniger als 44 verschlüsselten Postkarten zur Verfügung gestellt, die alle von einer Person verschickt (oder in einigen Fällen empfangen) wurden. Kurioserweise ist der fleißige Verfasser wieder ein Musiker: Josef Fröwis (1866-1934). Die Postkarten stammen vermutlich aus der Zeit zwischen 1898 und 1900.

Die Geheimschrift, die Fröwis verwendete, sieht der von Albert Pohrt zum Verwechseln ähnlich – beide nutzten musikalische Symbole zum Verschlüsseln. Einen Zusammenhang muss es deshalb nicht unbedingt geben, schließlich liegt es nahe, dass ein Musiker mit musikalischen Symbolen verschlüsselt. Erwartungsgemäß sind auch diese Karten fast alle an die Geliebte des Verfassers gerichtet: eine Theresia Metzler aus Reuthe in Vorarlberg.

Im Folgenden stelle ich einige der Karten von Fröwis vor. Die gesamte Sammlung gibt es auf einer eigenen Webseite, die ich nach und nach mit allen Vor- und Rückseiten und den Entschlüsselungen füllen werde. Die Nummerierung der Karten erfolgt gemäß dem vom Archiv verwendeten System. Die letzten drei Stellen geben eine Nummer zwischen 001 und 044 an.

Bedanken möchte ich mich bei Karin Netter vom Bregenzerwald Archiv, die die Karten entschlüsselt und mir die Scans zur Verfügung gestellt hat, sowie bei Sabine Sutterlütti für den Hinweis auf diese tolle Sammlung und natürlich bei deren Besitzer, Wilhelm Hollenstein.

 

I-129 PK009

Auf dieser Karte hat sich Josef Fröwis so richtig ausgetobt: eine zweifarbige Schrift und die Zeilen in einem schönen Muster. Wenn schon die Schrift ein Herz bildet, muss es wahre Liebe sein.

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Die Karte wurde am 7. November 1899 aus Bezau verschickt. Frau Netter hat sie wie folgt entschlüsselt:

O SÜSSE LIEBE BRAUT!!! O SIEHE! LIEBE SÜSSE THERESIA!!! O! WELCH EIN SCHÖNES FAMILIENBILD!!!! ACH, HÄTTEN ES DOCH AUCH WIR SCHON ERREICHT!!!!! AM ENDE IST DIE GROSSE STICKMASCHINE WIEDER EIN HINDERNISS! JA F(A)ST GANZ GEWISS. ICH MUSS ÜBER DIESEN PUNKT DIR HEUTE UNBEDINGT MEHRERES SAGEN!!! ICH MUSS DEM VATER UNTERHOSEN MITNEHMEN UND DAS HALSTUCH; WENN DIE MUTTER ZU HAUSE IST SO GEHE ICH! KOMME HEUTE BIS ½ 8 UHR. LEBE WOHL!!! HERZLICH UMARMT UND KÜSST DICH JOSEF!!! LIEBE! THEURE! RESI!

 

I-129 PK031

Bei dieser Karte ist leider unklar, woher sie stammt. Vielleicht kann ein Leser etwas zum Motiv sagen. Handelt es sich um eine Hafeneinfahrt am Bodensee?

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Ein Datum ist nicht erkennbar. Der Klartext sagt auch nicht viel aus:

RESI SÜSSE RESI! 1000 KÜSSE UND GRÜSSE!! DEIN JOSEF!

 

I-129 PK033

Diese Karte ist etwas schlichter gehalten.

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Leider ist wieder kein Datum erkennbar. Der Klartext lautet wie folgt:

HERZLIEBE BRAUT!
MEIN AL=
LES!!!
NEHME EINIGE TAGE, ANSTATT 2 NUR 1 LÖFFEL VOLL EIN!
JOSEF EWIG
DEIN!

 

I-129 PK038

Bei dieser Karte ist Josef Fröwis wieder etwas kreativer geworden.

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Datum und Poststempel sind leider nicht mehr erkennbar, da die  Marke abgerissen wurde. Der Absendeort ist wahrscheinlich wieder Bezau im Bregenzerwald. Den Klartext hat Frau Netter wie folgt ermittelt:

DU MEINE SÜSSE HERZIGE RESI!!! GOTT SEI DANK DASS ICH GESTERN UNTEN WAR!!! KOMME VIELLEICHT HEUTE BIS NEUN UHR WIEDER VOR DAS KÜCHENFENSTER. O LIEBE THEURE THERES, ICH BITTE DICH SO INNIG, SO DRINGEND, SO HERZLICH, MIT GEFALTETEN HÄNDEN VOR DIR KNIEEND: ACH! LASS DAS TANZEN GANZ UND ICH VERSPRICH DIR DAFÜR HOCH UND THEUER UND HEILIG, IM GANZEN LEBEN NIE ETWAS ABZUSCHLAGEN, JEDE BITTE, JEDEN WUNSCH DIR ZU ERFÜLLEN!!!!! O SÜSSE RESI, MEINE UNENDLICH GELIEBTE BRAUT!!!! ERHÖRE MICH DOCH!!!!! BITTE!!!! BITTE!!!!! BITTE!!!!!!! ACH, LÄGE ICH AN DEINEM HERZEN UND ICH KÜSSTE DICH OHNE ENDE WIE GESTERN NACHT DEIN BILD: EWIG TREU, DEIN JOSEF FRÖWIS

 

I-129 PK042

Dieser Brief stammt nicht von Josef Fröwis, sondern wurde an ihn geschrieben. Absender war sein Bruder Max.

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Offenbar kannte Max die Geheimschrift auch, verwendete sie aber nur für eine kurze Passage. Der Klartext:

Lb. Bruder!/ Heute auf der Durchreise hier. Übernachte im Hotel z. d. drei Raben./ Habe mir hier einiges angesehen. Morgen nach Nürnberg. Leb` wohl!/ 1000 Grüße an Dich, THERES UND KATHI! V: D: ST: TR: Bruder Max

 

Demnächst mehr

Ich freue mich, dass ich diesen kryptologischen Schatz auf meinem Blog vorstellen kann. Einige weitere Postkarten aus der Sammlung gibt es demnächst.

Zum Weiterlesen: Ungelöst: Vier verschlüsselte Rugby-Postkarten

Kommentare (3)

  1. #1 Thomas Ernst
    Latrobe
    19. Juni 2016

    Das Stempeldatum von I-129 PK033 ist der 22. 3. 1899, geschrieben also zu einer Jahreszeit, wo Herzen schmelzen wie der Schnee.

  2. #2 Regina
    21. Juni 2016

    Bei der zweiten Karte könnte es sich um die Lindauer Hafenausfahrt handeln.
    Auf Wikipedia gibt es im Beitrag zu Lindau Bilder zum Hafen aus dem 19. Jhdt.

  3. #3 Laie
    22. Juni 2016

    Schon schön!