Wenn uns Alfred Hitchcock, der “Master of Suspense”, ein Verschlüsselungsrätsel präsentiert, ist Spannung garantiert. Vor allem bin ich gespannt, ob meine Leser es lösen können.

English version (translated with DeepL)

Manche Dinge gehen sehr schnell auf diesem Blog. Zum Beispiel gab mir Cipherbrain-Leser Ralf Bülow im Jahr 2015 einen interessanten Tipp. Kaum sechs Jahre später schreibe ich heute einen Blog-Artikel dazu. Geschwindigkeit ist eben keine Hexerei.

Doch im Ernst: Den Hinweis von Ralf Bülow habe ich damals schlichtweg übersehen. Zum Glück bin ich vor ein paar Tagen per Zufall darauf gestoßen. Das Thema ist jedenfalls – im wahrsten Sinne des Wortes – so spannend wie ein Hitchcock-Thriller.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

 

Eine Dame verschwindet

Ralf Bülows Hinweis bezog sich auf den Alfred-Hitchcock-Film “Eine Dame verschwindet” aus dem Jahr 1938. Dieser Thriller ist der 23. unter den 53 von Hitchcock inszenierten Filmen, zählt also dessen mittlerer Schaffensphase. Die Handlung spielt überwiegend in einem fahrenden Zug. Publikum und Kritik nahmen den Film sehr positiv auf.

Die titelgebende Dame ist eine Geheimagentin, die aus einem Zug vor ihren Gegenspielern flieht. Kurz bevor sie den Waggon verlässt, erklärt sie einem vertrauenswürdigen Mitreisenden, einem Volksliedforscher, dass sie eine wichtige geheime Botschaft nach London überbringen muss. Für den Fall, dass sie dies selbst nicht schafft, teilt sie dem Mitreisenden die Botschaft mit. Es handelt sich dabei um eine Melodie, in der eine Nachricht kodiert ist. Für einen Volksliedforscher ist es nicht schwierig, sich die Töne zu merken.

 

Die Botschaft

Den Film “Eine Dame verschwindet” gibt es auf Youtube (auf English):

Ab 1:25:15 sieht (und hört) man, wie die Agentin dem Volksliedforscher die Melodie mit dem Geheimcode beibringt.

Ab 1:34:30, also ganz am Schluss, hört man die Melodie noch einmal – mit dem Klavier gespielt.

Wie die kodierte Nachricht lautet und wie die Kodierung funktioniert, erwähnt der Film nicht.

 

Gibt es eine Lösung?

Über den Film “Eine Dame verwschwindet” habe ich Im Internet einiges gefunden. Über die kryptologischen bzw. steganografischen Details konnte ich dagegen so gut wie nichts ausfindig machen.

Zunächst einmal wäre natürlich interessant zu erfahren, ob die versteckte Nachricht überhaupt existiert. Wenn ja, dann wäre die nächste Frage, wie die Kodierung funktioniert und wie der Klartext lautet. Da die Melodie nur kurz ist und sich nach einem gewöhnlichen Musikstück anhört, lässt sich vermutlich nicht allzu viel darin verstecken. Es kann also durchaus sein, dass es gar keine Nachricht gibt, auch wenn ich dies bei einem Perfektionisten wie Hitchcock etwas enttäuschend fände.

1979 gab es eine Neuverfilmung des Stoffs. Dieser wurde mit dem folgenden Filmplakat beworben:

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Ich weiß leider nicht, ob die darin vorkommende Melodie die gleiche wie bei Hitchcock ist. Vielleicht weiß ein Leser mehr.

Und schließlich gab es 2013 noch einen britischen Fernsehthriller, der den gleichen Titel trug. Die Handlung ist aber eine andere. Eine kodierte Botschaft kommt meines Wissens nicht darin vor.

Kann ein musikalisch, steganografisch oder cinematologisch bewanderter Leser mehr zu diesem Thema sagen. Ich bin (was sonst?) gespannt.


Further reading: The cryptograms appearing in the movie “Enola Holmes”

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Kommentare (9)

  1. #1 Ralf Buelow
    10. August 2021

    Danke für die freundliche Erwähnung & ein Hinweis auf https://books.google.de/books?id=Uab7DAAAQBAJ&lpg=PT91&ots=GF3hS3NJvW&dq=%22lady%20vanishes%22%20musical%20encryption%20cipher&hl=de&pg=PT91#v=onepage&q=%22lady%20vanishes%22%20musical%20encryption%20cipher&f=false (aus “Codes and Ciphers” von Alexander D’Agapeyeff) “minim” ist die Halbnote.

  2. #2 Karo
    Otterfing
    10. August 2021

    https://interlude.hk/musicologist-rescue/

    ….the elusive Miss Froy, governess and counterespionage agent, is bringing back a melody that contains “in code, the vital clues of a secret pact between two European countries.

  3. #3 Klaus Schmeh
    10. August 2021
  4. #4 Karo
    Otterfing
    10. August 2021
  5. #5 TWO
    10. August 2021

    Hitchcock explains what a McGuffin is.

  6. #6 Henning Wolter
    27. August 2021

    Ich habe die Melodie und die Akkorde des besagten Stückes herausgehört.

    Das Stück ist kompositorisch sehr einfach konzipiert: Die Harmonik besteht aus einer einfachen klassischen Moll-Kadenz. Die Melodie ist rein diatonisch.

    Es ist meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich, dass sich in diesem Stück eine Nachricht verbirgt, weil

    – das Stück sehr einfachen kompositorischen Regeln folgt und in erster Linie auf Eingängigkeit (Ohrwurm) ausgelegt ist. Es steht also klar die Komposition an sich (!) im Vordergrund. Versucht man, eine Nachricht in Noten verschlüsseln, muss man meistens schon tiefer in das kompositorische Trickkästchen greifen, um mit dem vorgegeben Notenmaterial eine halbwegs schlüssige Komposition zu erschaffen. Das heißt: die besagte Komposition ist zu einfach, als dass man von einer versteckten Nachricht in dem Stück ausgehen kann.

    – die Melodie nur aus 7 unterschiedlichen Tönen besteht. Selbst wenn man die unterschiedlichen Notenwerte berücksichtigt (der Ton A kommt beispielsweise als Achtel-, Viertel- und halbe Note vor), gäbe es nur 10 unterschiedliche Geheimtextzeichen.

    – die Komposition nur aus 8 Takten besteht und davon die Takte 1, 3 und 5 identisch sind, ebenso die Takte 2 und 4. Würde es denn einen vermeintlichen Geheimtext geben, so wäre dieser kurze Text von so vielen Buchstabenwiederholungen geprägt, dass er wohl kaum einen Sinn ergeben würde.

  7. #7 Klaus Schmeh
    27. August 2021

    @Henning Wolter:
    Vielen Dank für diese Analyse! Es leuchtet ein, dass das Musikstück zu einfach ist (der Informatiker würde sagen: die Entropie ist zu gering), um eine habwegs komplexe Nachricht zu kodieren. Schade, dass sich Alfred Hitchcock nicht ein wenig mehr Mühe gegeben hat, um eine echte musikalische Botschaft zu schaffen. Immerhin ist es eine nette Geschichte, die mit Steganografie zu tun hat.

  8. #8 Klaus Schmeh
    28. August 2021

    Ein Leser aus Österreich per E-Mail:

    Ich habe mir den Film mit Freude angesehen, danke für den Tip! Musikalisch betrachtet kommt das Thema durchaus öfter vor, es wird schon in der Ouvertüre verarbeitet, der Bänkelsänger unter Ms. Froyds Fenster singt es und wird ermordet usw.

    Ich hab die Noten dazu mal schnell aufgeschrieben und mir ein paar Gedanken zum möglichen Code gemacht.
    ) Für eine echte Nachricht ist die Melodie nicht nur sehr kurz sonder auch ziemlich redundant, das kann man schön an den Noten sehen.
    ) Die Melodie wird im Film ohne Nennung des Anfangstones und ohne Begleitakkorde weitergegeben. Wir müssen also nur die Melodie selbst betrachten.
    ) Nur ganz wenige Menschen haben ein “absolutes Gehör”, der “Code” muss also gegen Transposition immun sein. Daraus folgt, dass nur die Intervalle und der Rhythmus relevant sein können, beides kann ein gewöhnlicher Musiker sehr leicht memorieren und wiedergeben.
    ) Das Thema ist in “moll” verfasst.

    Ich vermute, dass es sich weniger um eine codierte Nachricht als um eine Art Signal handelt, so in der Art von “One if by land, Two if by Sea”. Dazu könnte man die Melodie als Echtheitsprüfung verwenden (also kommt die Nachricht wirklich von unserer Quelle?) und entweder in Moll oder in Dur senden (das ist für Musiker trivial und nur ein Halbton Unterschied). Oder natürlich einfach andere Melodien verwenden und ein Codebuch dazu.

    Dramaturgisch könnte man Vermuten, dass Ms. Froyd die Nachricht von dem Sänger unter ihrem Fenster empfangen hat (der singt übrigens mehr als das Thema) und nun weitergeben will, so richtig rauskommen tut das im Film aber nicht.

    Es sieht so aus als ob und Hitchcock hier leider mehr versprochen als geliefert hat :- )

  9. #9 Hmm...
    10. September 2021

    Auch Hitchcock kocht nur mit Wasser 😉