Vor drei Wochen habe ich ein musikalische Zeitungsanzeige vorgestellt. Inzwischen liegen mir ein paar neue Informationen vor, die zur Lösung beitragen könnten.
English version (translated with Deepl)
Wie mehrfach berichtet, hat Blog-Leser Didier Müller aus der Französischen Schweiz in den letzten Wochen eine Datenbank für verschlüsselte Zeitungsanzeigen aus Frankreich aufgebaut. Inzwischen sind dort nicht weniger als 733 Einträge abrufbar. Ich bin restlos begeistert.
Viele der Anzeigen sind bereits gelöst (neben Didier haben auch andere Cipherbrain-Leser dazu beigetragen), aber natürlich noch längst nicht alle.
Ein musikalisches Rätsel
Eine Anzeige, die Didier bisher nicht lösen konnte, stammt vom 28. Februar 1875. Ich habe sie bereits vor drei Wochen vorgestellt:
Die Annonce lässt sich wie folgt übersetzen:
Was man weder sagen noch schreiben kann, kann man singen: Do mi, do mi, do re fa, re fa, re mi. Haben Sie verstanden?
Wie man sieht, kommen die Begriffe do, re, mi und fa darin vor. Dies entspricht den Tönen c, d, e und f in einer auf c beginnenden Dur-Tonleiter. Leider sind keine Notenlängen angegeben. Man kann die Töne wie folgt notieren:
Ein Musikstück?
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass die besagten Noten den Beginn eines Musikstücks bilden. Hier ist eine Möglichkeit, wie sich das anhören könnte:
Da ich die Notenlängen hier selbst festgelegt habe, kann das tatsächliche Stück natürlich auch anders klingen. Hier ist ein Versuch, die Melodie fortzuschreiben und passende Harmonien hinzuzufügen:
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die Töne tatsächlich nach einer Melodie klingen, was bei einer in Musiknoten kodierten Nachricht bekanntlich nicht immer der Fall ist. Kennt ein Leser ein Musikstück, das passen würde?
Die Kunstsprache Solresol?
Der Blogleser The_Piper hat einen interessanten Hinweis zu diesem Kryptogramm gegeben: Es muss sich nicht um eine Melodie handeln, stattdessen könnte die Kunstsprache Solresol verwendet worden sein.
Solresol ist eine Kunstsprache auf musikalischer Grundlage, die von dem Franzosen François Sudre ab 1817 entwickelt wurde. Die Idee dahinter ist ähnlich wie beim deutlich bekannteren Esperanto, auch wenn sich die Umsetzung erheblich unterscheidet.
Der Wortschatz von Solresol basiert auf den Tonsilben do, re, mi, fa, sol, la, si (oder ti). Häufig gebrauchte Wörter bestehen aus einer, zwei oder drei Tonsilben. So steht si für „ja“ und do für „nein“. Doredo bedeutet „Zeit“, dorela „Jahr“ und doresi „Jahrhundert“. Speziellere Begriffe werden aus vier oder fünf Silben gebildet.
Man kann sich mit Solresol nicht nur sprechend, sondern auch singend, pfeifend oder mit Symbolen verständigen.
Ist “Do mi, do mi, do re a, re fa, re mi”, die Botschaft aus der Zeitungsanzeige, eine Solresol-Nachricht? Elonka Dunin, mit der ich am 17. Juli 2022 einen ICCH-Vortrag über verschlüsselte Zeigungsanzeigen halten werde, hat freundlicherweise in einem Solresol-Forum auf Discord nachgefragt. Leider hat sie bisher nur negative Antworten erhalten. Trotzdem möchte ich meine Leser fragen: Lassen sich diese Töne mithilfe von Solresol lesen?
Andere Kryptogramme
Ebenfalls Elonka Dunin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Solresol auch im Zusammenhang mit dem Dorabella-Kryptogramm eine Rolle spielen könnte.
Das Dorabella-Kryptogramm stammt bekanntlich von dem Komponisten Edward Elgar und ist bisher ungelöst. Dass Elgar als Musiker Solresol kannte und verwendet hat, erscheint durchaus plausibel. Trotzdem habe ich von diesem Erklärungsansatz in der Literatur bisher nichts gelesen. Kann ein Leser mehr dazu sagen?
Und schließlich hat Elonka noch die Frage aufgeworfen, ob das folgende ungelöste Kryptogramm von Ignatius Pollaky etwas mit Solresol zu tun hat:
Die Sache ist natürlich sehr spekulativ, aber sicherlich nicht völlig abwegig. Hinweise nehme ich gerne entgegen.
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