Vor einer Woche habe ich über eine ungelöste Pigpen-Inschrift in Venedig gebloggt. Dank Paolo Bonavoglia und einigen anderen Blog-Lesern kann ich heute die Lösung und zwei weitere Inschriften vom selben Ort präsentieren.

English version (translated with DeepL)

Im Jahr 2018 hatte ich die Gelegenheit, Venedig zu besuchen. Leider wusste ich damals noch nicht, dass es in der dortigen Calle del Perdon eine kryptologische Sehenswürdigkeit gibt. Blog-Leser Paolo Bonavoglia, mit dem ich damals unterwegs war, kannte sie ebenfalls nicht, obwohl er in Venedig wohnt. Dies ist nicht ungewöhnlich, denn kryptologisch interessante Objekte erhalten meist keine große Aufmerksamkeit. Aus genau diesem Grund habe ich mit Christian Baumann den Cryptologic Travel Guide geschaffen, der kryptologische Sehenswürdigkeiten in aller Welt verlinkt.

 

Die Pigpen-Inschrift

Auf die besagte Sehenswürdigkeit in Venedig sind Paolo und ich erst über einen Reddit-Post aufmerksam geworden. Es handelt sich um eine Pigpen-Inschrift, die ein User namens “AleAKAsine” mit dem folgenden Foto präsentierte (relevant ist nur die oberste Tafel):

Quelle/Source: Reddit

Dank Blog-Leser Matthew Brown erfuhr ich, dass sich diese Inschrift in der Calle del Perdon befindet. Diese liegt im Zentrum von Venedig, etwa 300 Meter westlich der Rialtobrücke. Genauer gesagt sind die Tafeln an der Decke des Sotoportego della Madonna angebracht. Als “Sotoportego” bezeichnet man in Venedig einen Fußweg, der unter einem Gebäude hindurchführt.

Paolo vermutete, dass folgende Pigpen-Tabelle verwendet wurde:

Quelle/Source: Schmeh

Damit erhält man folgenden Klartext:

CARLVT-ADERAS

Inzwischen können wir davon ausgehen, dass der Verfasser versehentlich das S und das T vertauscht hat. Der Klartext müsste also lauten:

CARLUS-ADERAT

Das ist Lateinisch und heißt: “Karl war hier.”

Danke an Thomas Bosbach, Gerd Hechtfischer, Alfons Hirschmann und Norbert Biermann für ihre Beiträge zur Lösung des Rätsels.

 

Zwei weitere verschlüsselte Inschriften

Inzwischen hat Paolo den Sotoportego della Madonna aufgesucht und dort ein paar Fotos aufgenommen. Dabei hat er zwei weitere verschlüsselte Inschriften entdeckt. Hier ist eine Übersicht:

Quelle/Source: Paolo Bonavoglia

Kryptogramm Nummer 1 ist dasjenige, das ich bereits vorgestellt habe. Hier ist die Nummer 2:

Quelle/Source: Paolo Bonavoglia

Hier wurde die gleiche Pigpen-Variante wie oben verwendet. Das S und das T wurden dieses Mal nicht vertauscht. Der Klartext ist Italienisch und lautet übersetzt “Gott existiert”. Und hier ist die Nummer 3:

Quelle/Source: Paolo Bonavoglia

Die Chiffre ist wiederum die gleiche, der Klartext Italienisch: “Dio e eterno, Carlo Zandinella è morto, Dio sia con lui”. Das heißt: “Gott ist ewig, Carlo Zandinella ist tot, Gott sei mit ihm.”

 

Was steckt dahinter?

Kryptologisch ist der Fall zwar gelöst, doch der Hintergrund dieser Tafeln liegt noch im Dunkeln. Die unverschlüsselte Hauptinschrift stammt laut Paolo aus dem Jahr 1577 und erinnert and einen Aufenthalt von Papst Alexander III 400 Jahre zuvor. Die Inschrift wurde 1830 restauriert.

Die Holztafeln sind mit Schrauben befestigt, die nicht älter als 50 Jahre sein dürften. Die Schilder selbst sehen älter aus, sie könnten laut Paolo aus dem 16. oder 17. Jahrhindert stammen.

Wer der oben erwähnte Carlo Zandinella ist, konnte Paolo leider nicht herausfinden. Der Nachname Zandinella ist im Raum Venedig weit verbreitet und lässt sich daher schlecht mit einer bestimmten Person in Verbindung bringen.

Paolo will demnächst noch einmal zum Sotoportego della Madonna gehen und mit einer besseren Kamera weitere Bilder machen. Er plant außerdem eine Webseite zum Thema, die ich natürlich gerne verlinken werde.

Falls ein Leser mehr zu diesen Inschriften und ihrem Hintergrund weiß, würde das Paolo und mich sehr interessieren.


Further reading: Die längste verschlüsselte Inschrift der Welt

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Kommentare (5)

  1. #1 Thomas
    18. Juli 2022

    @Klaus
    Die erste Zeile auf der unteren Tafel lautet “Dio e eterno” (Gott ist ewig), nicht “Dio esiste”.

  2. #2 Klaus Schmeh
    18. Juli 2022

    @Thomas;
    Danke für den Hinweis. Habe ich korrigiert.

  3. #3 Thomas
    18. Juli 2022

    @Klaus

    Die Bildunterschrift unter dem untersten Foto (Nr. 3) ist falsch, weil sie nicht mit dem Foto (“Dio e eterno” in der ersten Zeile) übereinstimmt.

    Die rote Schrift auf dem Foto Nr. 2 war hingegen richtig, hier steht “Dio esiste”, das hast du jetzt vertauscht.

  4. #4 Klaus Schmeh
    18. Juli 2022

    @Thomas;
    Danke für den Hinweis. Ich hoffe, dass mein zweiter Korrekturversuch erfolgreich war;-)

  5. #5 Holger Gruber
    Stuttgart
    18. Juli 2022

    Die Inschriften sind keinesfalls “16. oder 17. Jahrhundert” sondern frühestens 3. Viertel 20. Jh.
    Indiz 1: Sie sind offensichtlich mit Hilfe eines sich drehenden Werkzeugs angefertigt (“Dremel” oder Bohrmaschine mit Zapfwelle). Besonders gut an dem Z von Zandinella zu sehen. Früher hätte man Kerbschnittmesser oder Stechbeitel verwendet.
    Indiz 2: Die Zeichen sind zu hell für dieses Alter. Holz dunkelt nach, besonders, wenn es um Jahrhunderte geht.

    Im Übrigen erinnert die Diktion beider Texte teilweise an eine polemische Replik, die ich aus den 1970ern als zweiteiligen Toilettenspruch kenne, der besonders “originell” ist, wenn zwei verschiedene Schmierfinken ihn geschrieben haben:
    “Gott ist tot ([Unterschrift:] Nietzsche)
    Nietzsche ist tot (Gott)”.
    Friedrich Nietzsche lebte 1844-1900.