Bei der Hacker-Konferenz HOPE in New York gab es einen Vortrag zu verschlüsselten Zeitungsanzeigen. Aus diesem Anlass möchte ich eine solche vorstellen, die mir ein Leser kürzlich zugeschickt hat. 

English version (translated with DeepL)

Wie ich schon vor drei Monaten berichtete, bin ich stolz darauf, dass der US-Bestseller-Autor A.J. Jacobs mich in seinem Buch “The Puzzler” erwähnt hat. Der Kontakt kam über Elonka Dunin zustande, die in diesem Werk ebenfalls zur Sprache kommt. Es freut mich außerdem, dass A.J. Jacobs das Buch “Codebreaking: A Practical Guide”, das ich mit Elonka zusammen geschrieben habe, auf einer Webseite als eines der fünf besten Rätselbücher bezeichnet hat. Neben mir finden sich auf dieser Liste Autoren wie Martin Gardner und Douglas Hofstadter, die vielen Cipherbrain-Lesern bekannt sein dürften.

 

Ein Vortrag in New York

Da Elonka, A.J. und ich uns für das Thema Codeknacken interessieren, kam die Idee auf, dass wir zusammen einen Online-Vortrag im ICCH-Forum halten. Das Thema war schnell gefunden: verschlüsselte Zeitungsanzeigen. Diese spielen in A.J.s Buch eine Rolle, genauso wie im besagten “Codebreaking: A Practical Guide”. Und nicht zuletzt habe ich auf Cipherbrain schon ziemlich oft über verschlüsselte Zeitungsanzeigen gebloggt.

Um den Inhalt des Vortrags und die Powerpoint-Folien kümmerte hauptsächlich ich mich. Elonka schaffte es derweil, den Vortrag zusätzlich bei der Hacker-Konferenz HOPE in New York, dem Wohnort von A.J., unterzubringen. HOPE ist die bedeutendste Hacker-Konferenz der Welt. Es ist nicht ganz einfach, dort als Redner unterzukommen, doch zum Glück ist Elonka in der Szene keine Unbekannte.

Quelle/Source: HOPE

Die einzelnen Themen des Vortrags dürften Cipherbrain-Lesern bekannt vorkommen. Es ging um verschlüsselte Zeitungsanzeigen aus England, wie sie im Buch “The Agony Column” von Tony Gaffney stehen, sowie um ähnliche Anzeigen aus Frankreich, wie sie auf der Webseite von Didier Müller zu finden sind. Auch das Gun-Wa-Kryptogramm und die Anzeigen des Detektivs Ignatius Pollaky nahmen wir auf.

Besonders spannend fand ich außerdem die Geschichte des britischen Seefahrers Richard Collinson, der 1850 aufbrach, um das Schicksal seines Kollegen John Franklin und dessen Mannschaft zu ergründen. Franklin hatte 1845 eine Entdeckungsfahrt gestartet, um einen Seeweg vom nördlichen Atlantik zum nördlichen Pazifik zu finden, die so genannte Nordwest-Passage. Die Franklin-Expedition verschwand spurlos in der polaren Inselwelt des nördlichen Kanada. Die Expedition von Collinson war nur eine von vielen, die nach Franklin und seinen Männern suchte, und es dauerte lange, bis der Verbleib der Vermissten halbwegs geklärt war. Es gab keine Überlebenden.

Quelle/Source: Schmeh

Im Gegensatz zu Franklin gelangte Collinson mit seinen Männern unbeschadet nach England zurück. Wie die obige Karte zeigt, umrundete Collinson im Rahmen seiner Reise nach Nord-Kanada einmal die Erde. Dabei nutzten seine Angehörigen in London eine interessante Methode, um mit ihm zu kommunizieren. Sie veröffentlichten einmal pro Monat eine verschlüsselte Anzeige in der “Times”, der damals wohl bedeutendsten Zeitung der Welt.

Quelle/Source: Schmeh

Da die Times damals in allen größeren Hafenstädten der Welt erhältlich war, konnte Collinson auf seiner fünfjährigen Reise die entsprechenden Ausgaben erwerben und die Anzeigen entschlüsseln. So war er immer über den neuesten Familienklatsch informiert.

Am 17. Juli hielten wir unseren Vortrag zu dritt im ICCH-Forum und erhielten sehr positive Rückmeldungen. Ein paar Tage später fand der HOPE-Vortrag in New York statt. Einen kleinen Haken hatte die Sache für mich allerdings: Ich wollte bzw. konnte wegen einem Vortrag nicht mal eben in die USA reisen. Daher hielten Elonka und A.J. die Präsentation ohne mich. Große Sorgen machte ich mir deshalb nicht, denn beide sind sehr gute Redner.

Quelle/Source: Jacobs

 

Information fiel unter den Tisch

Vor allem das von Elonka präsentierte Vortragskapitel über die Collinson-Expedition kam offenbar sehr gut an. Auch die Presse interessierte sich für diese Geschichte. So erschien in der Zeitschrift “The Vice” ein ausführlicher Artikel über den Vortrag mit einem Schwerpunkt auf den Collinson-Anzeigen (danke an Ralf Bülow und Tony Patti für den Hinweis). “The Vice” hat laut Wikipedia eine Auflage von 1,2 Millionen und einer Reichweite von 130 Millionen Lesern. Von diesem Artikel gibt es auch zwei türkische Versionen.

Die Web-Portale IFL Science, Android Authority und “My Droll” übernahmen Teile des Vice-Artikels. Elonka gab dann noch ein Podcast-Interview dazu. Es freut mich natürlich, dass der Vortrag so weite Kreise gezogen hat, auch wenn ich nicht dabei sein konnte. Immerhin werde ich in den diversen Publikationen erwähnt und kann nun die bedeutendste Hacker-Konferenz der Welt in meine Referenzenliste aufnehmen.

Quelle/Source: Jacobs

Leider wird in den Artikeln eine Sache falsch dargestellt: Die Dechiffrierung der Collinson-Nachrichten ist nicht das Verdienst von Elonka, A.J. und mir. Stattdessen war es John Rabson, dem die Dechiffrierung bereits im Jahr 1992 gelungen ist. Doch anscheinend hat Elonka diese Geschichte so überzeugend vorgetragen, dass diese Information unter den Tisch fiel.

 

Eine verschlüsselte Anzeige aus Deutschland

Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle noch eine ungelöste verschlüsselte Anzeige vorstellen, die im Vortrag erwähnt wurde. Doch dann erhielt ich gestern eine E-Mail von Jannis aus Marburg. Er wies mich auf eine verschlüsselte Zeitungsanzeige hin, die er vor 15 Jahren in der “Bild” entdeckt hat. Diese nahm ich kurzfristig in den Artikel auf.

Quelle/Source: Bild

Ich befürchte, dass diese Anzeige schwer zu entschlüsseln ist. “FAUST RUF ARIEL” dürfte ein Code-Ausdruck sein, den nur der Empfänger kennt. Die Zahlen unten könnten für eine Telefonnummer stehen, wobei die Vorwahl als bekannt angenommen wird.

Kann sich ein Leser einen Reim auf dieses Kryptogramm machen? Jannis und ich würden uns über entsprechende Kommentare freuen.


Further readingWer knackt die verschlüsselten Zeitungsanzeigen von Tissie und Jabber?

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Kommentare (7)

  1. #1 Doc Cool
    Kryptografie.de
    6. August 2022

    Zu der Anzeige in der BILD:

    Das sind nicht viele Informationen. Aber wenn ich mir etwas zusammenreimen müsste:

    Faust und Ariel sind Decknamen von Agenten, die ein Straddling-Checkerboard (siehe

    https://kryptografie.de/kryptografie/chiffre/straddling-checkerboard.htm) wie z. B. das Dein-Star-

    Verfahren (siehe https://kryptografie.de/kryptografie/chiffre/dein-star.htm) benutzen.

    Nur leider hat der Empfänger keinen Empfang (“technisch nicht möglich”), was immer Empfang in diesem Fall

    bedeutet (z. B. Radio-Empfang). Darum geht man zur Übermittlung des Chiffrats diesen Weg als vorher

    abgemachte Ausweichmethode. Zusammen mit seiner “Wurmliste” (siehe

    https://kryptografie.de/kryptografie/wurmtabellen.htm) kann so der empfangene Agent seine Nachricht

    entschlüsseln.

    An eine Telefonnummer glaube ich nicht so recht. 8 Stellen sind doch recht viel dafür. Aber waren vor 15

    Jahren nicht die Rückwärtssuch-CDs für Telefonnummern beliebt? Die könnte man dann ja mal durchsuchen,

    welche Nummern in welchen Städten passen würden. Aber ich mach mir da eher wenig Hoffnung auf Erfolg.

    Oder es ist etwas ganze einfaches wie der Handy-Code (siehe

    https://kryptografie.de/kryptografie/chiffre/handy.htm)

    Damit ergibt sich dann

    m a p d d d m m

    was für “map ddd mm” stehen könnte, also kartografiere nach dem Koordinatenformat DDD, MM (drei Stellen

    Dezimalgrad, zwei Stellen Minuten).

    Aber es könnte auch für “mapfn” in Handycode stehen und dann so etwas wie “Map Function”, Kartenfunktion

    bedeuten.

    Sicher kommen auf mit anderen Verfahren irgendwie geartete “sinnvolle” Ergebnisse heraus…

    Kurzum: Das Chiffrat ist zu kurz, um eindeutig fest zu machen, was es im Klartext bedeuten soll.

  2. #2 EDW
    6. August 2022

    Zur Anzeige: Meiner Meinung nach wurde ein FAUST aufgefordert, einen ARIEL zu kontaktieren. FAUST schreibt nun, dass das nicht möglich ist und dass ARIEL ihn anrufen soll. Die Vorwahl ist ARIEL bekannt, die Nummer danach ist 62733366. Ich glaube eher nicht an einen Geheimdienst, da das alles zu amateurhaft und zu auffällig wirkt.

  3. #3 Klaus Schmeh
    6. August 2022

    Auf Instagram ist ein Video zu Elonkas Vortragskapitel über die Collinson-Zeitungsanzeigen erschienen:
    https://www.instagram.com/reel/CgptgfFgvIh/

  4. #4 Kaiser Junker
    7. August 2022

    “FAUST RUF ARIEL”

    1) The song of the ghost Ariel opens the second part of Goethe’s “Faust”. Maybe “RUF” refers to Ruf/call/shout/song/Gesang.

    2) A health institution in Singapore has the telephone number mentioned. It is located next to a ministry and near ferry and container terminals. (This is easy to find on the web.)

    3) Clearly, both phenomena do not have to be related to the solution of the riddle.

  5. #5 Klaus Schmeh
    9. August 2022

    Hier ist ein Video vom Vortrag:

  6. #6 EDW
    9. August 2022

    Zum Video: Ohne den Hinweis im Artikel hätte ich auch gedacht, dass Elonka die Zeitungsanzeigen selbst geknackt hat. Kein Wunder, dass der Journalist das falsch verstanden hat.

  7. #7 Klaus Schmeh
    11. August 2022

    Und noch ein (sehr guter) Artikel zum Vortrag in New York:

    https://www.mentalfloss.com/posts/victorian-coded-messages-franklin-expedition