Ein verschlüsseltes Telegramm aus dem Jahr 1916 könnte dazu beitragen, ein Verbrechen aufzuklären. Die Chancen, es zu knacken, stehen vergleichsweise gut.

Am 27. Juni 1916 überfiel ein Unbekannter einen Fahrkarten-Schalter der Western Ohio Railway in Lima (US-Bundesstaat Ohio). Der Räuber zwang einen Angestellten mit vorgehaltenem Revolver, ihm den Inhalt des Tresors auszuhändigen. Er entkam mit 265 Dollar.

NSA-Symposium-08-Ohio

Am 3. Juli 1916 veröffentlichte die Lokalzeitung Lima Times Democrat einen verschlüsselten Text, den ein Leser der Redaktion zur Verfügung gestellt hatte. Es sei von höchster Wichtigkeit, dieses Rätsel zu lösen, hieß es im Artikel. Der Grund für die Wichtigkeit wurde nicht genannt, genausowenig wie der Name des Lesers. Das Kryptogramm lautete wie folgt:

WAS NVKVAFT BY AAKAT TXPXSCK UPBK TXPHN OHAY YBTX CPT MXHG WAE SXFP ZAVFZ ACK THERE FIRST TXLK WEEK WAYX ZA WITH THX.

Einige Wochen später veröffentlichte auch das Magazin Enigma (herausgegeben von der National Puzzlers‘ League) das Ohio-Kryptogramm (Ausgabe August 1916). Der ziemlich kurze Artikel hatte folgenden Wortlaut:

The police department of Lima, O., is greatly puzzled over a cryptic message received in connection with the robbery of a Western Ohio ticket agent. Here it is: WAS NVKVAFT …

Nun war klar: Das Ohio-Kryptogramm hatte einen Bezug zum Ticketschalter-Raub. Welche Verbindung es zwischen Raub und Kryptogramm gab, ist nicht bekannt. Fest steht: Das Ohio-Kryptogramm ist bisher nicht gelöst. Vor über zwei Jahren habe ich schon ein mal darüber berichtet (in meiner Serie über die Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen). Zodiac-Killer-Experte David Oranchak hatte mich dankenswerterweise auf diesen spannenden Fall aufmerksam gemacht.

Meiner Vermutung nach ist das Ohio-Kryptogramm ein verschlüsseltes Telegramm. Vielleicht hat es der Räuber vor oder nach seiner Tat verschickt. Telegramme wurden damals oft verschlüsselt. Meist nutzte man Codebücher dafür. In einem Codebuch steht für jedes Wort einer Sprache sowie für jeden Buchstaben jeweils ein Codewort. Das folgende Bild zeigt eine typische Codebuch-Seite:

Codebook-Page-2

Ist auch das Ohio-Kryptogramm mit einem Codebuch verschlüsselt? Das ist durchaus möglich, auch wenn die unterschiedlichen Wortlängen sicherlich nicht typisch sind.

Einige der Wörter im Ohio-Kryptogramm sind im Klartext belassen – eine durchaus übliche Vorgehensweise. Sie sind im folgenden Bild rot markiert.

Ohio-marked

Sollte der Verfasser des Ohio-Kryptogramms tatsächlich ein Codebuch verwendet haben, dann könnte man mit diesem die Verschlüsselung lösen.

Schon zweimal in der Geschichte von Klausis Krypto Kolumne konnte ich über Codebücher berichten, die ausfindig gemacht wurden. So fand der griechische Krypto-Experte Christos Triantafyllopoulos das US-Codebuch, das ich bis dahin nur unter dem von den deutschen Codeknackern verwendeten Namen TELWA-Code gekannt hatte. Und der Blog-Leser Robert fand das Codebuch, mit dem ein Bergsteiger 1924 das Scheitern der Mount-Everest-Besteigung nach London gemeldet hatte.

Findet auch jemand das Codebuch, mit dem das Ohio-Kryptogramm verschlüsselt worden ist? Oder ist der Codebuch-Ansatz falsch, und wir müssen nach anderen Methoden Ausschau halten? Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Wer tiefer einsteigen will, sollte die Artikel von Nick Pelling zum Thema lesen.

Zum Weiterlesen: Rayburn-Kryptogramm: Die verschlüsselte Nachricht eines Mörders?

Kommentare (3)

  1. #1 Bopen
    4. November 2015

    CPT – captain
    ACK – acknowledge
    THX – thanks

  2. #2 PG
    6. November 2015

    Habe ein weiteren Blog im Inet gefunden die ebenso über dieses Rätsel diskutieren. Vllt gibts es uns neue Ideen.
    https://www.ciphermysteries.com/2013/07/01/ohios-very-own-cipher-mystery

  3. #3 Nick Pelling
    https://www.ciphermysteries.com/
    7. November 2015

    One issue is that codebooks of the time used fixed-length blocks of letters (five letters long in the example you give), whereas the earliest version of the message I was able to uncover had no such regularity.

    Having said that, it could well be that someone miscopied the telegram, inserting spaces in the wrong places.

    The other issue is that it is highly likely that commercial codebooks in use at that time would have been checked: there were never that many of them (compiling them was a fairly mammoth task). But it would be good to rule this out, nonetheless. 🙂