Eigentlich, ja eigentlich sollte dieser Artikel gar nicht mehr das Licht des Internets erblicken. Da nun aber medizinische Masken und ihre Pendants noch für einige Zeit unsere Begleiter im Alltag sein werden, die radikalisierte Querdenker weiterhin dagegen Sturm laufen und das auch in bei Entscheidungsträgern politische Wirkung zeitigt, wird er also doch noch veröffentlicht.
Von selbsternannten Aufklärern und Querdenkern ist Desinformation zu erwarten. Wir wollen schauen, wie diese zusammengebastelt wird. Vielleicht kann was draus lernen und beim nächsten Mal tappen vielleicht wieder etwas weniger Leute in die Fallen der Querdenker. Und als Beispiel soll hier dienen, was die wissenschaftlich unparteiischen “Ärzte für Aufklärung” zum Thema Masken zu sagen haben. Denn “unparteiisch” und “wissenschaftlich” finde ich wichtig und die aufklärerischen Ärzte schreiben auf ihrer Seite:
Wir sind eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft von Ärzten und Wissenschaftlern, die der Öffentlichkeit ihre fachliche und evidenzbasierende Expertise im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zur Verfügung stellt.
Herrlich! Wo sonst bekommt man evidenzbasierte Expertise in den Zeiten der Pandemie? Kaum irgendwo, außer vielleicht bei “diesem Drosten” (Bhakdische Betonung) in Wechsel mit Frau Ciesek, den Sciencecops und vielen, vielen anderen allgemein zugänglichen Kanälen, dem RKI und natürlich den wissenschaftlichen Fachzeitschriften.
Letztere werden gerne bemüht, wenn man etwas zeigen will, was so ungefähr dem entspricht, was der gute Querdenker so zu denken meint. Das Faltblatt aufklärerischen Ärzte gegen die Masken haben vielleicht einige gesehen. Dankenswerterweise gibt es da gleich eine ganze Webseite, die die Information aktuell zusammenfasst (sicherheitshalber auch via webarchive). Inzwischen auch mit mehr “Studien” als im Faltblatt – man bleibt aktuell. Doch wollen wir uns die Sache näher anschauen:
Zunächst fällt auf, dass bei diesen Evidenzjüngern nur Material zusammengetragen wird, welches gegen Maskenwirksamkeit zu sprechen scheint. Evidenzbasierte Medizin strebt zwar eigentlich danach, alle Informationen zu einem Thema zusammenzutragen und zu gewichten, um dann einen fundierten Rat formulieren zu können. Aber das hat sich vielleicht noch nicht herumgesprochen …
Als Nächstes fällt auf, dass es sich gar nicht allein um Studien handelt, sondern auch Meta-Arbeiten aufgeführt werden, die ihrerseits einige der aufgelisteten “Studien” zitieren. So kann man natürlich den Eindruck unterstreichen, dass es viel Material gibt, dass gegen die Wirksamkeit der Masken bei der Prävention zur Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus gäbe. Statisikaffinen LeserInnen wird jetzt aufgefallen sein, dass ich nicht von “Metaanalysen” schreibe. Bei einer Metaanalyse werden nämlich eigentlich Effektgrößen aus anderen Studien zusammengetragen und gemeinsam analysiert. Bei den von den äufklärerischen Ärzten verlinkten Meta-Arbeiten fehlt diese statistische Analyse zumindest teilweise (auch weil es in den Primärquellen kaum gute Statistik gibt) oder ist eher durch wenige herbeigezogene Arbeiten gekennzeichnet. Ein bisschen was ist schon dabei, wie eine aktuelle Metaanalyse. Was die aufklärerische Ärzteseite jedoch groß zeigt, ist keine Metaanalyse. Sondern eine beschreibende Metaarbeit.
Außerdem sind einige Arbeiten aus dem Krankenhausalltag darunter, allesamt vom Tenor “seht her, in diesem Kontext helfen Masken gar nicht!”. Methodisch sind diese Arbeiten unzureichend (unzureichende methodische Beschreibung, Weglassen von Statistik, etc.). Weiter geht es mit einem Buch (also ebenfalls einer summarischen Arbeit) der bekannten Frau Kappstein: Dort wird eine BFARM-Publikation zitiert, die zu Mund-Nasen-Bedeckungen aus Stoff anmerkt, dass diese keinen verlässlichen Schutz bieten, je nach Maske keinen Fremdschutz bieten und Masken mit Ventil erst recht keinen Fremdschutz bieten. Mit anderen Worten: Was nicht 100%ig den Vorstellungen der Querdenker vom Narrativ der Maskenbefürworter entspricht, wird zum Argument gegen den Mund- und Nasenschutz. Und so schämt man sich bei den aufklärerischen Ärzten auch nicht, eine Meinungsumfrage, die ihrerseits ihre Argumentation durch Zitaten der Hessisch-Niedersächsischen-Allgemeinen Zeitung stützt, als “Studie” zu präsentieren. Diese Umfrage folgert auf Basis mauer Fragebögen, dass die psychischen Auswirkungen des Maskentragens individuell und gesellschaftlich desaströs sind. So ein Blogartikel ist zu kurz, um jede zitierte Studie im Detail auseinanderzunehmen. Schaut euch das Material selber an. Insbesondere die Umfrage hat durchaus humoristischen Wert.
Vor allem stechen in der Liste der aufklärerischen Ärzte die tendenziösen Bewertungen hervor. Hier, als Beispiel, das Kommentar für die oben zitierte Metastudie (Hervorhebungen, wie auf der Seite):
Diese Studie wurde von der WHO selbst finanziert. Es wurden 172 Beobachtungsstudien und 44 vergleichende Studien analysiert. Es wird zusammenfassend postuliert, dass ein Mindestabstand von 1 m und das Tragen von Masken mit einem erhöhten Schutz assoziiert sind. Dies wäre gültig für chirurgische Einwegmasken und 12-16-lagige Baumwollmasken. Es wird darauf hingewiesen, dass keine Intervention, auch wenn sie richtig eingesetzt wurde, mit einem vollständigen Schutz vor Infektion verbunden war.
So jedenfalls wird keine evidenzbasierte und unabhängige Darstellung des Standes der “Maskenforschung” erreicht. Diese Seite ist nichts weiter als eine selektive Auswahl mit tendenziöser Darstellung großteils ungenügender Arbeiten. Wenn andere folgern, dass Abstandhalten und medizische Masken Schutz bieten, heben die aufklärerischen Ärzte hervor, dass es sich nicht um “vollständischen Schutz” handelt. Dem sei allerdings nicht widersprochen.
Den Vogel …
… schießt jedoch der “Wissenschaftler” Herr Walach ab. Er hat letztens eine “Studie” in “JAMA Pediatrics” publiziert, einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift mit kinderheilkundlicher Thematik. Das war nebenan bei “Gesundheitscheck” bereits Thema und mittlerweile ist die “Studie” zurückgezogen. Viele WissenschaftlerInnen haben Kommentare neben dem Artikel hinterlassen, ich habe mich nach Publikation darauf beschränkt, die Zeitschrift per EMail auf Formalia hinzuweisen mit der impliziten Bitte, die Kommentare der KollegInnen auch wirklich zu lesen und die Publikationsentscheidung zu überprüfen. Eine Antwort gab es nicht, aber normalerweise werden durch den Review gerutschte Veröffentlichungen auch nicht derart schnell zurückgezogen – man hat als Editor ja schließlich ein Gesicht zu verlieren. Insofern freue ich einfach, wenn ich mein Scherflein zum Zurückziehen einer Arbeit beigetragen habe, bei der ich als Wissenschaftler nicht mal mehr Fremdscham verspüre.
Denn der Artikel war nicht einfach tendenziös, sondern eine bewusste Irreführung und diente der Verunsicherung aller Eltern. Finanziert wurde er von Verein der “Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie”, der mit pseudo-Expertise um Einfluss wirbt, gerne Informationen entstellt, wenn es zum eigenen Narrativ passt, wo Vertreter auch mal Nazirhetorik verwenden oder Ärzten mit anderer Meinung drohen. Mit Leuten, die sich zusammen mit anderen Größen der Szene politisch engagieren und die als Verein viel Geld für Propaganda Informationsmaterial ausgeben – laut eigenen Angaben den Großteil der im Jahr 2020 eingenommenen 400.000 Euro an Spenden.
Dieser Verein nun hat die Studie Herrn Walachs finanziert. An der gibt es, wie gesagt, wirklich einiges auszusetzen, ihr könnt gerne die Kommentare neben der Publikation lesen. Vor allem gibt es keine Vergleichsgruppe und keine gute Messung, denn gemessen wurde die mittlere CO2-Konzentration hinter den Masken von Kindern mit Sensoren, die keine gute zeitliche Auflösung haben. Klar geht die Konzentration im Vergleich zur Umgebungsluft herauf – wie auch bei jedem 08/15-Schnorchel – denn wenn ausgeatmet wird, bleibt der letzte Rest hinter der Maske hängen. Die Luft hinter der Maske wird schließlich beim erneuten Atmen eingeatmet. Folglich atmen Maskenträger mehr CO2 ein als Nicht-Maskenträger. Skandal!
Nur ist das Volumen zwischen Maske und Mund klein. Es wird viel mehr Frischluft als “verbrauchte” Luft eingeatmet. Und unsere Bronchien enthalten immer auch mit CO2 angereicherte Luft – das Volumen, dass durch eine Maske hinzukommt ist klein. Das wird in der “Studie” Herrn Walachs nicht diskutiert und weil die Auflösung der Sensoren so schlecht ist, ist es nicht unmittelbar zu sehen. Vergleichsgruppen gibt es auch nicht. Aber der Schaden ist bereits angerichtet: Als Blogger, der sich ab und an gegen “Corona”-Scharlatane gestellt hat, wurde ich häufig auf “diese Studie” angesprochen, denn sie “belege” ja die Gefährlichkeit der Masken für Kinder – meine Inbox erzählt eine ganz eigene Geschichte. Inzwischen hat der Hype nachgelassen, wie so häufig interessiert eine Klarstellung niemand mehr – und doch hat sich die Erzählung der Schädlichkeit von Masken für Kinder in den Köpfen von Entscheidungsträgern festgesetzt.
Fazit
Um es klar zu sagen: “Corona” hat viele Menschen rund um die Welt trauern lassen und wird auch weiter gefährlich bleiben. Masken schützen. Und wenn wir in diesem Winter wieder an vielen Orten Masken tragen müssen, dann auch, weil Umgeimpfte zu oft Scharlatanen (die auch ein Medikamentenportfolio gegen Covid19 aufführen, das überhaupt nicht zwischen therapeutisch wirksamen Medikamenten und Medikamenten von Trump-Jüngern unterscheidet) auf den Leim gegangen sind.
An der Stelle sei nicht verschwiegen: Manche Maßnahme zum Schutz gegen das Coronavirus war eine Farce! Dazu zählen auch Orte, an denen die Maskenpflicht gilt oder galt (z. B. im Freien mit viel Abstand und Wind oder in engen Räumen mit wenig Lüftung, wo auch die beste Maske kein Infektionsrisiko dauerhaft senken kann). Man sollte sich jedoch nicht kirre machen lassen, denn wir haben jetzt hoffentlich gelernt: Morgellonen sind ebenso Unfug wie manch andere Erzählung aus Querdenkerkreisen zum Thema Masken.
Kommentare (21)