1889 veröffentlichte ein zwielichtiger Geschäftsmann namens William Hale in Colorado eine verschlüsselte Zeitungsanzeige. Hale wurden später Betrügereien vorgeworfen, die verschlüsselte Nachricht blieb ungelöst.

English version (translated with DeepL)

Sie suchen noch nach einem Weihnachtsgeschenk? Falls ja, kann ich meinen diese Woche erschienenen Comic-Band “Versutus” empfehlen, den es auf Amazon käuflich zu erwerben gibt. Der Preis beträgt 17,01 Euro (keine Ahnung, wie der Preis zustande kommt; es steckt jedenfalls kein Geheimcode dahinter). Als PDF kann man das gesamte Comic-Abenteuer sogar kostenlos herunterladen!

Quelle/Source: Schmeh

 

Wilder Westen, Kryptografie und Pornografie

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema des Tages. Ich habe auf Cipherbrain schon ziemlich oft über verschlüsselte Zeitungsanzeigen gebloggt. Meine Quelle war dabei stets das Buch “The Agony Column” von Cipherbrain-Leser Tony Gaffney (unter dem Pseudonym Jean Palmer). In diesem Werk sind etwa 1000 chiffrierte Anzeigen aus britischen Tageszeitungen aufgeführt.

Klar ist natürlich, dass es verschlüsselte Anzeigen nicht nur in der britischen Presse gab. So wird beispielsweise berichtet, dass der französische Kryptologe Etienne Bazeries (1846-1931) in französischen Zeitungen erschienene chiffrierte Nachrichten löste und sich über die Inhalte amüsierte. Leider hat sich meines Wissens bisher noch niemand die Mühe gemacht, französische Zeitungsanzeigen der damaligen Zeit zu durchforsten und nach Kryptogrammen Ausschau zu halten.

Cipherbrain-Leser Thomas Bosbach hat mich dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht, dass auf Reddit kürzlich eine verschlüsselte Zeitungsanzeige aus den USA veröffentlicht wurde. Das dürfte ein Novum in der Krypto-Literatur sein.

Die fragliche Anzeige ist am 23. Juli 1889 in der Denver Times erschienen:

Quelle/Source: Denver Times

Wie Thomas berichtet, bezieht sich die unter der Nachricht genannte Adresse auf eine Firma namens Gun Wa, die von 1888 bis 1894 existierte und chinesische Medizin verkaufte. Der Gründer von Gun Wa war ein irischer Einwanderer namens William Hale. Auf einer Webseite hat Thomas beispielsweise eine von Gun Wa angebotene Medizin für “weibliche Schwäche” gefunden. Dort heißt es:

GUN WA’S CHINESE REMEDY FOR FEMALE WEAKNESS–WARRANTED ENTIRELY VEGETABLE AND HARMLESS

Im Internet findet man weitere Berichte über Gun Wa und William Hale. Letzterer geriet wegen Postbetrugs (es gibt wohl recht unterschiedliche Delikte, die in diese Rubrik fallen) und der postalischen Verbreitung von pornografischem Material mit dem Gesetz in Konflikt und floh deshalb nach England. Ob die verschlüsselte Nachricht etwas mit Hales mutmaßlich illegalen Aktivitäten zu tun hat, ist mir nicht bekannt. Unabhängig davon sind die Flaschen von Gun Wa heute begehrte Sammelobjekte.

 

Lösungsansätze

Auf Reddit hat Cipherbrain-Leser YefimShiffrin folgende Transkription des Kryptogramms veröffentlicht:

METXHZJTJGHXNYIDKATJG
WEUAVXLDKXVDUEOTTOQ
PFMQJDLTOQVAOEPAKFKILX
HYMPXTOFWEIFJDV

Der Koinzidenz-Index liegt bei 4,1 Prozent. Bei einer einfachen Substitution oder Transposition wäre ein höher Wert (6-7 Prozent) zu erwarten. Dies spricht dafür, dass der Verfasser ein komplexeres Verschlüsselungsverfahren verwendet hat. Eine Vigenère-Chiffre ist denkbar.

Mit CrypTool 2 oder Multi-Dec von Cipherbrain-Leser Christian Baumann kann man folgende Buchstaben-Häufigkeiten ermitteln:

Quelle/Source: Baumann

Eine Transpositions-Chiffre in einer gängigen Sprache kann man ausschließen, da sich die Häufigkeiten zu stark von den Buchstaben-Häufigkeiten im Englischen, Deutschen oder Französischen unterscheiden. Eine Vigenère-Chiffre ist aber nach wie vor denkbar.

 

Eine tolle Geschichte

Keine Frage, die Geschichte um das Gun-Wa-Kryptogramm hat so ziemlich alles, was man sich als Journalist wünscht: Wilder Westen, Pornografie, Verbrechen, eine zwielichtiger Geschäftsmann, ein ungelöstes Rätsel, … Vielleicht lässt sich ja noch mehr darüber herausfinden. Gibt es weiteres verschlüsselte Anzeigen von Gun Wa? Was ist aus William Hale geworden? Welche Betrügereien wurden ihm im einzelnen vorgeworfen. Hinweise nehme ich gerne entgegen.


Further reading: Wer löst diese verschlüsselte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg?

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Kommentare (10)

  1. #1 Norbert
    19. Dezember 2021

    The “kappa test”, as defined by Friedman, yields
    Period  1: kappa = 0.0417
    Period  2: kappa = 0.0436
    Period  3: kappa = 0.0358
    Period  4: kappa = 0.0398
    Period  5: kappa = 0.0613
    Period  6: kappa = 0.0439
    Period  7: kappa = 0.0390
    Period  8: kappa = 0.0300
    Period  9: kappa = 0.0377
    Period 10: kappa = 0.0772

    This strongly suggests five enciphering alphabets used periodically. However, my Vigenère solvers don’t find any solution. So I think we are dealing either with a period-5 Vigenère based on a scrambled alphabet, or with five indepent alphabets.

    I wonder if there is enough ciphertext for a hillclimber.

  2. #2 Klaus Schmeh
    20. Dezember 2021

    @Norbert:
    Thanks.
    >a scrambled alphabet, or with five indepent alphabets
    Interesting. At least, this means that Mr. Hale had some expertise in ciphers.

  3. #3 schorsch
    20. Dezember 2021

    Laut State Herald, Holyoke Colo., vom 27.03.1891 ist Gun Wa alias Wm. Hale bereits im Jahr 1891 aufgeflogen, nicht erst 1894. Auch finden sich nach Juni 1891 in der Presse Colorados keine Anzeigen mehr für seine Produkte/Dienste (https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn90051167/1891-03-27/ed-1/seq-1/).

    Das Jahr 1894 war für ihn insofern bedeutsam, als er in diesem Jahr in New York (auf der Flucht?) festgesetzt, nach Denver ausgeliefert und dort wg. ‘Mail Fraud’, in den USA ein ‘federal crime’, zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde.

    Das ist insofern eine sehr interessante Geschichte, als Medizinbetrug – selbst in seinen mörderischsten Formen – in den USA (und weltweit) bis etwa 1906 völlig alltäglich und diesem Phänomen rechtlich nicht beizukommen war. Erst wenn angebliche Medizinprodukte per Post in andere Bundesstaaten verschickt wurden, konnte daraus in den USA ein Fall von Mail Fraud konstruiert und der Quacksalber vor Gericht gestellt werden. Eine Hilfskonstruktion ähnlich den Steuervergehen, mit deren Hilfe z. B. Al Capone erst erfolgreich vor Gericht gestellt werden konnte.

    Das änderte sich erst in der ‘Progressive Era’ mit dem ‘Pure Food and Drug Act’ von 1906, dem wohl ersten Verbraucherschutzgesetz der Welt.

  4. #4 Klaus Schmeh
    21. Dezember 2021

    @Schorch:
    > zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde
    Danke für die Infos. Das kann kein Kavaliersdelikt gewesen sein. Umso interessanter wäre es zu erfahren, was in der Anzeige steht.

  5. #5 schorsch
    21. Dezember 2021

    Die 18 Monate sollte man hier nicht überbewerten. Tatsächlich bestand sein Vergehen wohl wesentlich darin, dass er die dollsten Tinkturen und Medikamente deklariert und verkauft hat, die aber tatsächlich nichts andres als ‘sage brush tea’ enthielten (Quelle: diverse Recherchen in https://chroniclingamerica.loc.gov)

    Ein völlig gewöhnliches Vergehen damals, welches vor Gericht üblicherweise mit einer Geldstrafe von fünf Dollar, 15 wenn der Richter sauer war, abgetan war.

    Aber Mr. Hale hat dabei Bundesgesetze verletzt – und das war eine ganz andere Größenordnung. Bei Verstoß gegen den Mail and Wire Fraud-Paragraphen sind heute Strafen vorgesehen von “shall be fined under this title or imprisoned not more than 20 years, or both”. Ich hab’s nicht geprüft, denke aber dass die Strafandrohung auch im 19. Jhdt. schon nicht weniger drakonisch war. Und damit wird alles bestraft, was rechtswidrig per Brief über Bundesstaatsgrenzen gelangt (und wo ein Bestrafungsinteresse besteht). Das reicht vom gebrochenen Heiratsversprechen über ein paar Krümel Marihuana bis hin zu gefälschten Mickymaus-Marken.

    Aber Du hast recht, er muß sich schon irgendwie besonders unbeliebt gemacht haben. Ich habe vor ein paar Jahren relativ intensiv über das Thema Medikamenten- und Lebensmittelbetrug in den USA an der Wende zum 20 Jhdt. recherchiert, und nach Bundesrecht wurden damals nur sehr wenige und besonders dreiste Betrüger verfolgt. Er hat wohl selbst gegen Dritte wegen negativer Aussagen über seine Geschäfte Strafanzeigen wegen Verleumdung gestellt, aber auch das erklärt das Bundesinteresse nicht.

  6. #6 The_Piper
    21. Dezember 2021

    Ich habe auch noch ein schönes Bildchen zu dem Thema gefunden, 1. Anlage, das Etikett 🙂

    https://www.antique-bottles.net/threads/gun-was-chinese-remedy.583847/

  7. #7 schorsch
    21. Dezember 2021

    P.S.: Um mal die Größenordnung klarzustellen, die in den USA zwischen einer einfachen Straftat (local law) und der gleichen Straftat, begangen unter Überschreitung einer Bundesstaatsgrenze (federal law) besteht: Ein Mann hatte seine Frau in den Selbstmord getrieben. Dabei hatte er ein Verfügung, ihr nicht nahe zu kommen, ignoriert. Nach local law hätte dies zu einer Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen häuslicher Gewalt geführt – ein paar hunder Dollar Fine, vielleicht drei Wochen örtlicher Karzer (https://www.nytimes.com/2021/12/05/us/domestic-violence-cases-police.html).

    Aber sie hatte einen Job in einem anderen Bundesstaat – er hat, um sie an ihrem Arbeitsplatz belästigen zu können, eine Bundesstaatsgrenze überschreiten müssen: Fünf Jahre Bundesknast, 250.000 Dollar Fine.

    Beim Mail Fraud Act gilt (und galt schon 1890) das gleiche Prinzip: Lokal ein Kavaliersdelikt – aber, wenn die Bundespost mit einbezogen wurde, ein staatliches Verbrechen.

  8. #8 The_Piper
    21. Dezember 2021

    Noch ein paar Gedanken..

    Es werden nur 22 Buchstaben verwendet.

    Es sind 77 Zeichen, damit schließe ich dann Polybios-Chiffre, GeDeFu und sowas aus, da man aus 77 Zeichen keine vollständige Bigramme erzeugen kann.

    Dann habe ich die Nachricht mal mit einem experimentellen Programm angegriffen, welches mit einer englischen Wortliste versucht, Alphabete zu raten.
    Das funktioniert ganz gut und würde, wenn die Nachricht denn mit einem einzigen gemischten Alphabet verschlüsselt wäre, auch eine Menge anzeigen, bis hin zum (fast) richtigen Ergebnis.
    Aber bei 256.000 Durchläufen kamen nur zwei Ergebnisse raus und der Text ergab keinen Sinn.

    Also denke ich, Norbert hat recht, daß mehrere Alphabete benutzt wurden.

    Noch einen: Mister Quack war Ire, wer sagt denn, daß wir einen englischen Text suchen, vielleicht ist es ja gälisch?

  9. #9 ShadowWolf
    21. Dezember 2021

    I would also agree that it is likely a period 5 poly alphabetic. There is also a chance it has a period of 10. However, other than a solution, I can’t say for sure it is a Vigenere. The period 5 frequency counts are not very clear and if it is a period 10, it is probably not getting solved. Specifying multiples of 5 for the period doesn’t help as the key repeats if you have enough letters.

    The Kasiski test factors to 5 or 10 for the most repeated sequences. The letters TO repeats 3 times and the longer sequence TOQ repeats 2 times. This becomes obvious if you write it out in 5 letter groups. So without a doubt we have a period 5 or 10 cipher with both typical poly alphabetic tests giving identical results.

    If it is indeed a mixed alphabet version then we have a potential quagmire. If it is a simple Q1, it may be solved by removing the period and hill climbing as a MASC. The problem is there isn’t anything conclusive to determine a period key.

    The main problem is it is short. Just 77 letters is not enough to make any patterns stand out. Hand analysis is not improving on the computer results. So I’m not expecting a solution to come easy. I have unfortunately seen cipher examples like this before.

  10. #10 Hassan Boyouk
    Wynnewood
    15. April 2022

    I have a possible solution for the Gun Wa Cipher.
    The cryptogram is backwards, so you start with V; Then d,j, and eventually end with M(Which is used twice). So this is what the cryptogram looks like;
    air houches itmss
    do bhbyi ahya; the dirt tht thee hufiias bids ayfuct
    (the t in ayfuct is from Capital M).
    Are y bio massare russeut?
    A roach’s items do baby hoya; the dirt that the huffies bid are functions. Are your biomasses russian?
    The cryptogram, like many, has errors.