Auch Schmuggler, Zuhälter und Schutzgeld-Erpresser führen meist – ähnlich wie seriöse Geschäftsleute – über ihre Aktivitäten Buch. Dabei spielen Verschlüsselung und Steganografie eine wichtige Rolle.
English version (translated with DeepL)
Kriminalfälle, bei denen Verschlüsselung eine Rolle spielt, kommen auf Cipherbrain traditionell gut an. Es gibt ziemlich viele davon. Wenn es um klassische Verschlüsselung (also ohne Computer-Unterstützung) geht, sind beispielsweise der Zodiac-Killer und die verschlüsselten Zettel von Ricky McCormick …
Quelle/Source: FBI
… äußerst spannend. Mit dem Computer haben unter anderem der Maskenmann und der Mordverdächtige Joshua Powell verschlüsselt.
Die CRRU
Beschäftigt man sich mit Kriminalfällen, die mit klassischer Verschlüsselung zu tun haben, dann stößt man früher oder später auf die CRRU, die Codeknacker-Truppe des FBI. Diese hat schon so manche knifflige Verschlüsselung von Mördern, Räubern, Spionen und organisierten Kriminellen gelöst. Leider ist die CRRU nicht besonders mitteilsam, weshalb über ihre Arbeit nur wenig bekannt ist.
Die Abkürzung CRRU steht für “Cryptanalysis and Racketeering Records Unit”. Was “Cryptoanalysis” bedeutet, dürften die meisten Leser dieses Blogs wissen: Man versteht darunter das Lösen von Verschlüsselungen. Der Begriff “Racketeering Record” ist dagegen weniger gebräuchlich. “Racketeering” ist ein Sammelbegriff für illegale Geschäfte aller Art – vom Drogenhandel über die Hehlerei bis zur Erpressung. Mit “Record” ist in diesem Zusammenhang keine Bestleistung gemeint, sondern eine Aufzeichnung. Die “Cryptanalysis and Racketeering Records Unit” ist also eine Einheit, die sich um das Dechiffrieren verschlüsselter Botschaften und das Auswerten von Aufzeichnungen aus illegalen Geschäften kümmert.
Während über verschlüsselte Botschaften auf diesem Blog und anderswo schon viel veröffentlicht worden ist, findet man zu Racketeering Records nur sehr wenig. Es gibt meines Wissens noch nicht einmal ein gebräuchliches deutsches Wort dafür. Eine entsprechende Google-Suche ergibt kaum brauchbare Treffer.
Immerhin gibt es in David Kahns Buch “The Codebreakers” (S. 818) ein paar historisch interessante Informationen zum Thema, wenn auch nicht unter dem Stichwort “Rackereeting Records”. Darauf werde ich bei Gelegenheit in einem eigenen Blog-Artikel eingehen.
Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, worum es beim Auswerten von Racketeering Records geht. Der Ausgangspunkt ist, dass auch Drogenhändler, Schutzgeld-Erpresser, Zuhälter, Kredithaie, Betreiber illegaler Glücksspiele und ähnliche Zeitgenossen über ihre Geschäfte Buch führen müssen – sofern sie nicht den Überblick verlieren wollen. Klar ist aber auch, dass Kriminelle sich hierbei nicht an irgendwelche Buchhaltungsstandards halten. Im Gegenteil: Sie werden versuchen, ihre Unterlagen so zu gestalten, dass ein Außenstehender sie nicht versteht.
Natürlich kann ein Ganove für seine Racketeering Records einen Computer und ein Verschlüsselungsprogramm nutzen. Das wollen wir an dieser Stelle ausklammern. Bei handschriftlichen Aufzeichnungen kann ein illegaler Geschäftsmann verschiedene Tricks anwenden:
- Er verzichtet auf aussagekräftige Erklärungen, Überschriften und Kommentare. Dies würde man in der Informatik als Obfuskation bezeichnen.
- Er tarnt das Schriftstück als Telefonliste, Restaurant-Rechnung oder in ähnlicher Form. Dies ist eine Form von Steganografie.
- Er verwendet Codewörter, ersetzt Buchstaben durch Symbole, verdreht Zahlen oder wendet ähnliche Tricks an. Dies ist eine Form der Verschlüsselung.
Es ist offensichtlich, dass Racketeering Records für die Polizei eine wichtige Rolle spielen. Daher gibt es – sicherlich nicht nur bei der CRRU – Spezialisten, die sie auswerten.
Drei Beispiele
Immerhin habe ich bereits vor Jahren drei Beispiele für Racketeering Records auf der Webseite der CRRU gefunden. Das erste davon bezieht sich auf ein Drogengeschäft und ist zur Tarnung auf den Schreibblock eines Restaurants geschrieben:
Quelle/Source: FBI
Die folgende Notiz ist ein illegaler Wettschein, was für einen Außenstehenden kaum zu erkennen ist:
Quelle/Source: FBI
Und hier ist ein illegaler Kreditvertrag, notiert auf einem Formular, das vermutlich für einen Juwelier gedruckt wurde:
Quelle/Source: FBI
Der Mordfall Rabinowitz
Ein weiteres Beispiel habe ich zufällig in der True-Crime-Fernsehserie “Forensic Files” entdeckt. In der Folge “Summer Obsession” geht es um den Mord an der wohlhabenden Rechtsanwältin Stefanie Rabinowitz im Jahr 1997. Diese war mit dem scheinbar ebenfalls wohlhabenden Geschäftsmann Craig Rabinowitz verheiratet. Wie die Polizei herausfand, beruhte dessen Erfolg jedoch auf einem betrügerischen Schneeballsystem. Wie man ab 10:25 sehen kann, stießen die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung auf Racketeering Records, die diese illegalen Geschäfte dokumentierten.
Einem Spezialisten, der offensichtlich nicht von der CRRU kam, gelang es, die gefundenen Aufzeichnungen auszuwerten. Craig Rabinowitz wurde schließlich als Täter überführt und zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Aussicht auf Bewährung (Life without Parole) verurteilt. Er erhielt also die gleiche Strafe wie Silk-Road-Gründer Ross Ulbricht und Spion Brian Regan und wird wohl den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.
Kennt ein Leser weitere Beispiele für Racketeering Records, deren Auswertung knifflig war bzw. ist? Ich denke, dass dieses Thema noch einiges hergibt und würde mich daher über Hinweise freuen.
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Further reading: An unsolved crime-related cryptogram from the 1930s
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