Eigentlich wollte ich ja nicht mehr über Herrn Bhakdi schreiben. Doch in den letzten Wochen wurde ich einige Male gefragt, was ich so denke über Herrn Bhakdis politische Ambitionen? Vielleicht, weil es hier im Blog den einen oder anderen einschlägigen Artikel gab? Kann sein, aber ich bin so wenig Bhakdiologe, wie ich Grund zur Querdenkerologie als Analog zur Kreml-Astrologie sehe. Wir wollen schließlich die Kirche im Dorf lassen und den Damen und Herren Querdenkern und Impfdiffamierern nicht die Bedeutung zukommen lassen, die sie meinen zu haben.
Doch um die Frage kurz zu beantworten (will ja meine Ruhe haben 😉 ), denke ich zunächst, dass er keinen Deut auf meine Meinung gibt. Vielleicht sollte wir aber genau hinschauen, was bei der ein-Thema-Partei “die Basis” noch kommen wird, schließlich haben wir mit einer durchweg populistischen Partei mit ihren naiven Vorstellungen von Politikbetrieb bereits genug Ärger. Und doch, ganz ehrlich, finde ich es ganz gut, wenn Bhakdi und seine querdenkenden Freunde in die Politik gehen. Wer findet, dass sie vor Gericht ziehen sollten, statt munter von der Verfassungswidrigkeit aller Maßnahmen gegen das Virus zu fabulieren (weil so ein Gang zu Gericht ist eine nüchterne Sache und entzieht der Schwurbelei Tempo), der muss eigentlich auch gut finden, dass Leute, die glauben zu wenig Gehör zu finden (das es ein Lamento über das Nichtgehörtwerden von “Warnungen” der Bhakdis und Wodargs und … gibt müssen wir nicht wieder und wieder belegen, oder?) in die Politik gehen. Ob ihre Träume wahr werden? Vielleicht ist ein Absturz bei der anstehenden Bundestagswahl ganz gut, um manchen Schurbelzuhörer zu erden – bis dahin wird sicher auch der eine oder andere Impfverweigerer von der Realität eingeholt.
Apropos, nachdem mich Joseph Kuhn von nebenan bat doch zu der D-Dimer-Story des Herrn Bhakdi (vgl. dieser Beitrag) Stellung zu nehmen, fiel mir der Nachbar ein, der mir am letzten Wochenende von Warnungen vor “der Impfung” erzählte, neue “Gerinnungsstörungen” seien berichtet, auch bei Biontech. Das hätte er nicht irgendwoher, sondern habe “ein Professor” im Fernsehen gesagt. Beides zusammen ist wohl doch Grund genug näher hin zu schauen.
Eine kurze Nacherzählung: Herr Bhakdi berichtet auf Rubikon in einem unkritischen “Interview” davon ein Arzt habe sich bei ihm gemeldet und mitgeteilt [Korrektur:] mehr als 30% seiner untersuchten[/Korrektur] Impflinge hätten erhöhte D-Dimerwerte aufgewiesen und das sei ein eindeutiges Alarmzeichen (das, natürlich, von offizieller Seite nicht wahrgenommen würde). Nun wissen wir grundsätzlich nicht, was an den Erzählungen Herrn Bhakdis und seiner Mitstreiter belastbar ist und was nicht. Man muss halt hinschauen …
Also, zunächst einmal sind D-Dimere sogenannte unspezifische Biomarker. Biomarker sind, ganz allgemein gesagt, Hinweisgeber auf dem Weg zur Diagnose oder zur Kontrolle eines Krankheitsverlaufes. Und warum unspezifisch? Weil gezeigt werden konnte, dass D-Dimere im Blut Hinweisgeber auf eine Reihe von gefährlichen Zuständen von PatientInnen sein können oder auch als Ausschlusskriterium dienen können für das Nichtvorhandensein einer Erkrankung. Unter anderem sind sie auch verbunden mit schweren Verläufen von COVID-19[Paliogiannis, 2020]. Kein Wunder, D-Dimere sind Abbauprodukte bei Blutgerinseln.*
Solche unspezifischen Biomarker kennen wir alle von Blutbildern beim Hausarzt, da wird i.d.R. das CRP (C-reaktives Protein) mit erhoben, ein allgemeiner Entzündungsmarker. Ist der Wert erhöht, lohnt es sich näher hinzuschauen, weil u. U. eine Entzündungsreaktion vorliegt. Zur Einschätzung des Wertes oder gar zur Diagnosestellung, braucht es mehr – gute Ärztinnen und Ärzte diskutieren das dann gelegentlich mit ihren Patienten. Vielleicht werden andere Blutwerte “nachgemessen”, vielleicht werden andere diagnostische Verfahren zu Rate gezogen, vielleicht reicht der erste Hinweis, um ein Urteil zu festigen, weil man die Geschichte und andere Parameter bereits kennt.
Wie auch immer, D-Dimere sind deshalb unspezifisch, weil sie ebenfalls bei einer Reihe von Zuständen erhöhte Werte aufweisen können. So möchte man Herrn Bhakdi entgegenrufen: Wo sind die Daten? Wer hat da genau was wie gemessen? Eine Arzt im stillen Kämmerlein oder doch standardisiert durch Einsendung zum Diagnostiklabor? Welches waren die Patienten? Waren da Schwangere drunter, Leute mit Vorerkrankungen (Krebs, rheumatische Erkrankungen, erkrankte Leber, COVID-Genesene, etc. – D-Dimererhöhung kann durch viele Faktoren ausgelöst werden)? Welche Altersverteilung? etc. etc. Wir halten fest: Bislang gibt es nicht mehr Informationen als “ein Typ im Internet behauptet etwas”.
Moment mal! Die Auffälligkeit ergab sich unabhängig vom Wirkstoff? In jedem Fall? (laut Bhakdi!) Das wäre neu. Aus so was könnte man eine wissenschaftliche Veröffentlichung machen, so wie diese, die im Übrigen explizit vermerkt keine Auffälligkeiten beim D-Dimer-Level festgestellt zu haben. Vor allem aber wäre die Befunde alarmierend. Man könnte sie übermitteln, damit Andere gewarnt sind. Für alle, die dies möchten gibt es eine Webseite. Auch der Hinweis auf die Pflicht dies in diesem Fall zu tun, möchte ich nicht lassen. So etwas wird auch nicht unter den Teppich gekehrt, wie Querdenker immer wieder suggerieren, sondern wie der Link zeigt, differenziert diskutiert. Öffentlich.
Joseph Kuhn erhoffte sich eine medizinisch wissenschaftliche Einordnung der D-Dimere: Ist es überhaupt sinnvoll diese zu messen? Insofern ist meine Antwort (und nein, ich gebe nicht vor hämatologische Expertise zu besitzen) vielleicht enttäuschend. Unterm Strich: Ja, das Vorhandensein erhöhter D-Dimere sollte Mediziner sehr hellhörig werden lassen. Man kann sich natürlich fragen, ob eventuell andere Faktoren, wie beispielsweise anti-PF4-Antikörper interessanter wären. Von denen ist bekannt, dass sie eine durch einen Impfstoff ausgelöste Störung des Gerinnungssystems anzeigen können[Thiele et al.; 2021] – was aber alleine nicht hinreichend ist, um eine Gefährdung einschätzen zu können. Bei beiden Parametern kommt es u. a. auf die Stärke des Signals an (auch eine unbeantwortete Frage). Beide Faktoren könnte(!) man messen, u. a. als Kontrollindikatoren. Der Statistiker in mir verlangt eher nach zusätzlichen Parametern – aber welche Parameter erfasst werden hängt vom Design einer Studie und ihrer Fragestellung ab. Nichts, was irgendwer in einem Interview oder Blog aus den Ärmeln schütteln könnte. Und darum geht es ja nicht. Daher klar: D-Dimere messen, um Gefährdungspotential zu messen? Ja, bitte – aber nicht alleine, nicht ohne Kontext und nicht ohne öffentliches Protokoll.
Man kann aber auch, wie das Herr Bhakdi ja gerne – wohlgemerkt ohne erarbeitete Expertise – macht warnen wollen (bzw. Ängste schüren wollen, weil es so schön ist im Rampenlicht zu stehen – was meine Sicht ist). Ohne sich wirklich in ein Thema einzufuchsen. Der Fairness halber sei gesagt: So ein Interview oder Video ist immer verkürzend, nicht alle Studien können ad hoc benannt werden. Aber seriöse Informanten geben die Quellen an.
Everything is easy for the man who doesn’t have to do the work.
Mit dem Spruch haben wir zu meinen Laborzeiten altkluge Kommentare bedacht. Seit Beginn der Pandemie hören wir von Bhakdi und seinen Mitstreitern, wie ungehört sie seien, während sie auf Youtube, KenFM, Fox News, Rubikon, eigenen Webseiten etc. ihre Erkenntnisse und Wahrheiten verbreiten, während wir WissenschaftlerInnen und WissenschaftsbeobachterInnen hier und auf anderen Kanälen kommentieren. Warum nicht? Wer als WissenschaftlerIn ernst genommen werden mag, kann Twittern, Blog schreiben, Podcasts betreiben, in Talkshows sitzen und vieles mehr – sollte aber unbedingt weiterhin wissenschaftlich arbeiten (Beispiel). Wo bleiben die Studien der querdenkenden Wissenschaftler? Wo ihre Reviews? Wo ihre “Letters to the Editor” mit denen sie wenigstens eine Duftmarke der Kritik hinterlassen könnten? Setzen sie sich wenigstens mit den Argumenten ihrer Kritiker auseinander? Also außer, wie Herr Bhakdi, diffamierend von “dem Drosten” zu reden oder der Behauptung, man habe Herrn Şahin (Mitgründer von Biontech) ja schon vor der Pensionierung nicht geglaubt und in der Diskussion alt aussehen lassen (in einem anderen Video von Bhakdi, leicht paraphrasiert)?
Und so geht dieses Mal keine Mail an seinen Verein, die um Antwort bittet. Feedback ist nicht zu erwarten. Für Herrn Bhakdi ist alles ganz einfach – er muss schon lange die Arbeiten selber nicht mehr machen.
* Für die “Experten”: Ich versuche für etwaige LeserInnen zu schreiben, die zuvor Herrn Bhakdi zuhörten – nicht für med. Fachpersonal.
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